26.04.2024 – Stellen Sie sich vor: Bauprojekte ohne jahrelange Gerichtsstreitigkeiten, stattdessen schnelle und faire Lösungen am Runden Tisch. Genau diese Vision verfolgt der neu gegründete Arbeitskreis Schlichtung und Schiedsgericht (AK Schlichtung), in dem Schlichterinnen und Schlichter für Baustreitigkeiten organisiert sind.
Wir sprachen mit Rechtsanwältin Carolin Klüpfel und Rechtsanwalt Volker Blumenthal über die Gründung, die weiteren Pläne des AK Schlichtung und wie die Schlichtungsausbildung das eigene Selbstverständnis als Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt verändert hat.
Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis! Gilt der Spruch auch für den AK Schlichtung?
Rechtsanwalt Volker Blumenthal: Der Spruch ist nicht nur alt, er hat auch rein gar nichts mit dem Arbeitskreis Schlichtung zu tun. (lacht) Spaß beiseite: In § 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte, BORA, „Freiheit der Advokatur“ steht in Absatz 3, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ihre Mandantinnen und Mandanten in allen Rechtsangelegenheiten (…) konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten haben. Aus unserer Sicht wird dieser Grundsatz zu selten gelebt und genau da setzen wir mit unserem Arbeitskreis Schlichtung an.
Wie kam es zur Gründung des AK Schlichtung? Wie war die Genese?
Rechtsanwältin Carolin Klüpfel: Das hat ganz viel mit der Begeisterung zu tun, die die Teilnahme an der Schlichtungsausbildung bei vielen Teilnehmenden ausgelöst hat. Zu Beginn des Schlichtungsseminars haben wir selbst festgestellt, dass wir allenfalls mal eine Mediation vor Gericht gemacht haben, aber die Unterschiede zwischen Schlichtung, Schiedsgericht und Mediation nur ungenau und schon gar nicht die Vorteile des einen oder anderen Verfahrens kannten. Immerhin waren wir offen genug, an der Schlichtungsausbildung teilzunehmen. (lacht)
Wir vom AK Schlichtung sind davon überzeugt, dass wir die Schlichtung voranbringen müssen, sodass allen Baurechtskollegen da draußen und vor allem den von ihnen vertretenen Parteien klar wird, dass es sinnstiftende und gute Alternativen zu Gerichtsverfahren gibt. Diesen Erkenntnisprozess haben die Teilnehmenden der Schlichtungsausbildung bereits hinter sich.
Blumenthal: Carolin Klüpfel und ich haben im Juni 2022 an der ersten Ausbildungsrunde nach der neuen Schieds- und Schlichtungsordnung für Baustreitigkeiten, der SOBau 2020, teilgenommen und dies als sehr bereichernd erlebt. Seitdem kommen jedes Jahr neue Teilnehmende dazu, die ähnlich begeistert von der Schlichtung sind und es entstand der Wunsch nach regelmäßigen Austausch, der über die WhatsApp-Gruppe, die es seit der ersten Ausbildung gibt, hinausgeht. Man könnte die Gründung des AK auch als logische Konsequenz dieser Entwicklung sehen, mit dem Ziel, den Austausch zu intensivieren.
Wir wollen Schlichtung, Schiedsgericht und Co. bekannter und ihr Potenzial greifbarer machen.
Was steht auf der Agenda des AK Schlichtung? Was ist eure Mission?
Klüpfel: Wir kennen das aus unserer eigenen Praxis: Beim Abschluss eines Vertrags oder auch und gerade während eines Projekts denken die Parteien nicht genug darüber nach, wie man Streit verhindern oder lösen kann. Naturgemäß stehen eben nicht Konfliktprävention und Konfliktmanagement im Fokus der Parteien, sondern Planen, Bauen, Fertigstellen und das möglichst in time, in budget.
Unterschiedliche Auffassungen können schnell eskalieren, sich zu Konflikten entwickeln, die Fronten verhärten sich.
Auch die Gruppe der Teilnehmenden in unserem Schlichtungskurs bestand aus Persönlichkeiten, die sich untereinander teils aus der Baurechtspraxis kannten, entweder namentlich oder auch ganz konkret als Gegner in einem Verfahren. Aber selten kam jemand bis dato auf die Idee, statt direkt das Gericht einfach mal den Gegner anzurufen, und das Gespräch über einen vorliegenden Konflikt zu suchen.
Wir alle hatten gleichermaßen die ‚Brille‘ des Taktierens innerhalb dieser Konflikte auf und die außergerichtlichen Optionen nicht hinreichend auf dem Schirm.
Blumenthal: Die ‚normale anwaltliche Denke‘ funktioniert ungefähr so: Wenn du schwach bist, dann lass uns eine Mediation machen, weil wir damit vielleicht noch irgendetwas herausschlagen können. Und wenn du eine starke Position hast, dann gehen wir vor Gericht und setzen deine Rechte durch. Eine solche Einstellung prägt auch die eigene Wahrnehmung des Gegenübers. Wenn jemand auf einen zukommt und eine Schlichtung vorschlägt, geht man gleich davon aus, dass der Vorschlag aus einer schwachen Position heraus gemacht wurde, ansonsten würde man das ja gar nicht erst vorschlagen.
Klüpfel: Diese Art zu denken, herrscht unter Anwältinnen und Anwälten vielmals vor. Das ist uns selbst irgendwann aufgegangen und genau da wollen wir ansetzen, um das zu ändern. Wir wollen am Image der Schlichtung arbeiten und den Ruf dieser großartigen Methode zur außergerichtlichen Streitbeilegung prägen und verbessern. Wir wollen Aufklärungsarbeit leisten, die Schlichtung in der Bauwelt etablieren und die Möglichkeit zum Vernetzen und Erfahrungsaustausch bieten.
Kann man sagen, dass die Schlichtungsausbildung Ihr Selbstverständnis als Anwältin und Anwalt verändert hat?
Blumenthal: Ja, das kann man unbedingt so formulieren. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass sich nicht nur meine Sicht auf das Berufsleben, sondern auf das Leben insgesamt verändert hat. Man muss nicht immer streiten und auf seiner Position verharren, um zu etwas zu kommen, sondern man kann ganz anders an die Dinge herangehen und meist mit einem besseren Ergebnis herauskommen, das zudem noch deutlich angenehmer erreicht wurde – nicht nur zum Vorteil des eigenen Mandanten, sondern auch für das gesamte Projekt.
Der AK Schlichtung wurde im Herbst 2023 gegründet. Wie ging es nach der Gründung weiter?
Blumenthal: Die Gründung fand einen Tag vor der 62. Baurechtstagung in München statt. Dort trafen sich ein gutes Dutzend Schlichterinnen und Schlichter mit den Ausbildungsleitern, um sich auszutauschen und fortzubilden. Beim letzten Treffen am Vortag der 63. Baurechtstagung im Frühjahr 2024 in Straßburg brachte Mediator und Kommunikationstrainer Christian von Baumbach, der lange in Japan gelebt und gearbeitet hat, einiges aus der japanischen Kampfkunst des Aikido mit ein, was alle sehr inspiriert hat und konkreten Nutzen für die Verhandlungen in der Schlichtung geschaffen hat.
Klüpfel: Neben der Fortbildung haben wir uns als Netzwerk u. a. auch damit beschäftigt, wie der Markt bisher auf die neuen Schlichterinnen und Schlichter reagiert hat, wie die Kolleginnen und Kollegen die Methodik in den Alltag integriert bekommen und was sich tun lässt, damit dies noch besser gelingt.
Man muss nicht immer streiten und auf seiner Position verharren, um zu etwas zu kommen.
Wie geht es weiter mit dem AK Schlichtung? Wie sehen eure weiteren Pläne für die Zukunft aus?
Blumenthal: Für die 64. Baurechtstagung im November 2024 planen wir einen ganzen Tag für das Treffen ein. Es wird um weiteren Austausch, aber auch um weiteres gemeinsames Lernen gehen.
Klüpfel: Vieles ist im Schwange und wird sich im Laufe der Zeit entwickeln. So denken wir z.B. über die Darstellung und Veröffentlichung von erfolgreichen Schlichtungsfällen nach, um die Methode bekannter und ihr Potenzial greifbarer zu machen.
Blumenthal: Gerade ist die Schlichtungsausbildung 2024 in Hamburg zu Ende gegangen. Dem Vernehmen nach war die Veranstaltung ausgebucht und hat bei den Teilnehmenden für Begeisterung gesorgt. Wir sehen also einem größer werdenden Kreis von Schlichterinnen und Schlichtern entgegen und freuen uns darauf, gemeinsam zu wachsen. Uns hat die Schlichtungsausbildung die Augen geöffnet und wir sind davon überzeugt, dass viele bisher zu kurz gesprungen sind. Dem wollen wir mit dem AK Schlichtung nun entgegenwirken und für die außergerichtliche Streitbeilegung eine Lanze brechen, vor allem in der Baurechts-Community.
Frau Klüpfel, Herr Blumenthal, wir danken für das Gespräch!
Rechtsanwältin Carolin Klüpfel
- Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
Rechtsanwalt Volker Blumenthal
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
- Leiter AK Schlichtung