27.03.2024 – Die Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) bildet die Grundlage für die meisten Bauverträge. Daran soll sich auch in der Zukunft nichts ändern. Schließlich gilt die VOB/B insgesamt als ein ausgewogenes Vertragswerk. Allerdings enthält das Regelwerk zahlreiche Fallstricke, die in der Baupraxis oft nicht angemessen berücksichtigt werden.
Wir sprachen mit Rechtsanwalt Frederic Jürgens über ein Regelwerk mit Tücken. Im Gespräch erläutert der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht kritische Punkte, die Auftragnehmer und Auftraggeber bei der Gestaltung von VOB/B-Verträgen unbedingt beachten sollten und zeigt rechtssichere Wege auf.
Herr Jürgens, die VOB/B aus dem Jahr 1926 wird – mit einigen Novellierungen im Laufe der Zeit – bis heute regelmäßig angewendet. Das Regelwerk scheint unverwüstlich, oder?
Ja, trotz ihres Alters ist die VOB/B (noch) nicht tot zu kriegen. Sie ist ein praxiserprobtes und bewährtes Regelwerk, das für mehr Klarheit im Bauvertragsrecht sorgt. Die VOB/B sind allgemeine Geschäftsbedingungen und haben sich dabei auch am Leitbild des Gesetzes zu orientieren, das sich mit dem neuen Werkvertragsrecht zum 1. Januar 2018 komplett geändert hat. Das war für uns Baurechtler die größte Reform seit Bestehen des BGB. Das Problem ist, die VOB/B wurde zwar im Laufe der Jahre immer wieder novelliert, aber eben nicht an das neue Bauvertragsrecht angepasst. Geblieben ist ein praxisnahes, aber eben auch sehr fragiles Regelwerk
Das liegt zum Teil am neuen Leitbild des Gesetzes, das die Klauseln der VOB/B jetzt noch kritischer, noch rechtsunsicherer gemacht hat. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tut das Übrige. Dort gab es gleich eine ganze Reihe von Entscheidungen, etwa zur Kalkulation von Nachtragsvergütungen, die nur wenige so in der Form erwartet haben und die ich als ‚Gamechanger‘ bezeichnen würde. Bei anderen Themen, wie etwa zu den Mängelrechten vor der Abnahme, entschied der BGH wie erwartet. Es war abzusehen, dass der § 4 Abs. 7 VOB/B für unwirksam erachtet wird.
Insgesamt zeichnet sich ein klarer Trend ab und ich erwarte, dass der BGH die VOB/B noch weiter auseinandernehmen wird, weil er die Auffassung vertritt, dass weitere VOB/B-Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam sind. Das hat unterschiedliche Auswirkungen. Da ist der öffentliche Auftraggeber, der auf VOB/B-Verträge setzt und die VOB/B als Ganzes zu vereinbaren und sich dadurch der Inhaltskontrolle zu entziehen versucht. Das misslingt nicht selten und führt zur Unwirksamkeit vieler Klauseln. Wir in der Praxis weichen indes immer von der VOB/B ab und sind dabei hybride Verträge zu schaffen, bei denen wir uns das Beste und Sicherste aus der VOB/B holen, aber dann auch Rücksicht nehmen auf die neuen werkvertraglichen Regelungen aus dem Bauvertragsrecht des BGB.
Lassen Sie uns zu den Fallstricken kommen. Sie sprachen von den acht häufigsten Fehlern bei der Abwicklung von VOB-Verträgen. Welche sind dies?
Der erste Punkt, der immer wieder zu Problemen führt, lautet: „Vertraglicher Leistungsumfang“. Das ist kein VOB/B typisches Thema, vielmehr ist es ein grundsätzliches Thema bei der Abwicklung von Verträgen. Die Vertragsparteien müssen sich über Inhalt und Umfang der geschuldeten Leistungen klar sein. Leider klappt das in der Praxis oft nicht: Der Kalkulator des Auftragnehmers setzt sich an das Leistungsverzeichnis und kalkuliert auf Basis dessen seine Preise – nicht selten am Leistungssoll vorbei. Wenn etwa aus dem Bodengutachten hervorgeht, dass der Boden belastet ist, dies aber nicht ausdrücklich in der LV-Position erwähnt ist, dann berücksichtigt er das vielleicht nicht, weil er es nicht gelesen hat oder um attraktiv anzubieten und später einen Nachtrag stellen zu können. Und schon kommt es zum Konflikt.
Das Leistungssoll und die weiteren Rahmenbedingungen wie Bauzeiten, Koordination, Kooperationen etc. muss jede Vertragsseite genau kennen und man muss sich als Auftraggeber wie Auftragnehmer über den vertraglichen Leistungsumfang ein ganz klares Bild machen. Nur so habe ich a) die Kontrolle über die Bauabwicklung und b) die Kontrolle über die Leistungen im Hinblick auf Mängel, Termine und Kosten.
Das klingt alles recht simpel und einleuchtend. Warum wird das in der Praxis immer wieder falsch gemacht oder nicht angemessen berücksichtigt?
Wenn die Unternehmen ihre Angebote bei öffentlichen Auftraggebern abgeben, dann ist oftmals der Preis das ausschlaggebende Kriterium. Daher halten Auftragnehmer den Aufwand für die Angebotserstellung im Rahmen oder setzen auf Nachträge. Der öffentliche Auftraggeber wiederum muss gemäß VOB/A ausschreiben, sodass der Auftragnehmer alles Leistungsrelevante aus den Ausschreibungsunterlagen erkennen kann, ohne bei der Abgabe des Angebots ein ungewöhnliches Wagnis einzugehen.
Es wird gefordert, dass alles in der Leistungsbeschreibung steht, was erforderlich ist, um die Leistung sicher zu kalkulieren. Die nicht selten unzureichende Ausschreibung führt zu einem unklaren Leistungssoll und dann zu Konflikten während der Bauabwicklung. Zudem vergessen viele Auftragnehmer, dass der Vertrag als sinnvolles Ganzes auszulegen ist, also alle Vertragsunterlagen bei der Ermittlung des Leistungssolls zu beachten sind. Stattdessen wird nicht selten nur das kalkuliert, was im Leistungsverzeichnis steht.
Der zweite Punkt auf Ihrer VOB/B-Fehlerliste lautet „Bedenken und Hinweispflichten“. Was verbirgt sich dahinter?
Die Bedenken und Hinweispflichten sind in der VOB/B geregelt. Gemeint sind Obliegenheiten des Auftragnehmers, d. h., wenn ein Auftragnehmer feststellt, dass z.B. die Pläne des Auftraggebers oder die Vorleistung anderer Unternehmer mangelhaft sind, muss er darauf hinweisen. Das ist nicht immer leicht zu erkennen, wenn – wie so oft – schnell drauflos gebaut und währenddessen weiter geplant wird. Dennoch sind diese Obliegenheiten extrem wichtig. Kommt ein Bauunternehmen dieser Pflicht nicht nach und zeigt dem Auftraggeber seine Bedenken gegen die Pläne nicht an, haftet am Ende zumindest anteilig für den Baumangel.
Das gehört eigentlich zum kleinen Einmaleins dazu, aber es wird dennoch häufig nicht beachtet, weil man entweder davon ausgeht, dass nichts passiert, oder mitunter haben die Bauunternehmen auch einfach Befürchtungen, Bedenken anzumelden, weil es auf die Stimmung beim Auftraggeber drückt. Schließlich will man bauen und nicht als oberster Bedenkenträger dastehen. Hier appelliere ich an die Bauunternehmen: Ihr seid die Guten, ihr wollt dem Auftraggeber nur helfen! Schließlich will der Auftraggeber am Ende ein mangelfreies Gebäude erhalten.
Wenn ich als Bauunternehmer also merke, dass das nicht funktioniert, weil beispielsweise Vorgaben bei der Dachabdichtung nicht stimmen, dann muss ich die Hand heben. Ansonsten passiert drei Jahre später vielleicht der erste kapitale Wasserschaden, für den der Bauunternehmer dann haftet. Damit ist niemanden gedient. Ganz im Gegenteil.
Sind mündliche Bedenkenhinweise ausreichend oder sollte es immer schriftlich sein? Muss eine besondere Form eingehalten werden?
Die VOB/B gibt die Schriftform vor, aber am Ende genügt auch eine mündliche Bedenkenmitteilung. Allerdings sage ich den Bauleitern immer, dass sie die operierenden Ärzte sind und dass die Patientenakte gefüllt sein sollte. Das bedeutet: die Konsequenzen sollten immer umfassend und verständlich mitgeteilt werden. Ganz wichtig ist der Zugangsnachweis. Das kann durch eine Empfangsbestätigung oder z.B. durch einen Eintrag im Baustellenprotokoll geschehen. Das gilt für Nachträge, Behinderungen, Fristsetzung für Mängelbeseitigungsmaßnahmen etc., frei nach dem Motto: ‚Wer schreibt, der bleibt‘. Die Bauakte muss im Streitfall mit Schriftverkehr nebst Zugangsnachweise gefüllt sein.
Kommen wir zum Thema Nachträge, dem dritten Punkt auf Ihrer Fehler-Liste. Was ist das Besondere daran und was gilt es hier zu beachten?
Die VOB/B unterscheidet zwei Arten von Nachträgen: erstens die geänderten Leistungen und zweitens die zusätzlichen Leistungen. Der BGH entschied zu Mehrmengen, dass sich deren Preise bei fehlender Einigung der Vertragsparteien nicht auf Basis der Urkalkulation berechnen, sondern auf Basis der tatsächlich erforderlichen Kosten. In der Praxis galt bis dato über Jahrzehnte der Grundsatz: guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis, mithin das Fortschreiben der Preise auf Basis der Urkalkulation. Diesen Grundsatz hat der BGH gekippt.
Aufgrund des identischen Wortlauts der VOB/B-Regelung zu den Mehrmengen nach § 2 Abs.3 VOB/B und der geänderten Leistungen nach § 2 Abs.5 VOB/B ist die Rechtsprechung auch auf geänderte Leistungen zu übertragen. Ob diese Rechtsprechung aber auch für zusätzliche Leistungen nach § 2 Abs.6 VOB/B gilt, wird streitig diskutiert. Hier können die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen geänderten und zusätzlichen Leistungen also an Bedeutung gewinnen.
Das Gesetz unterscheidet sinngemäß zwischen Nachträgen für willkürliche Leistungsänderungen und notwendige Vertragsänderungen. Das ist aber nicht deckungsgleich den geänderten Leistungen und zusätzlichen Leistungen bei VOB/B Verträgen. Das Gesetz enthält z.B. eine 30-Tage-Frist für die Besprechung des Angebots, in der VOB/B sind keine Fristen enthalten, auch ist der Umfang des Leistungsänderungsrecht unterschiedlich. Eine belastbare Rechtsprechung zur Wirksamkeit vertraglicher Abweichungen, auch durch die Vereinbarung der VOB/B, gibt es noch nicht.
In der Folge herrscht noch eine gewisse Rechtsunsicherheit in der Vertragsgestaltung und Abwicklung.
Dem Thema Nachträge sollten wir noch einmal ein eigenes Gespräch widmen. Lassen Sie uns heute jedoch zum nächsten Punkt kommen: die Behinderung des Bauablaufs.
Ich mache sehr viel baubegleitende Beratung, da ist die Behinderung des Bauablaufs nach § 6 VOB/B ein Klassiker. Aber nicht jede behinderungsbedingte Verzögerung des Bauablaufs hat einen Mehrvergütungsanspruch des Auftragnehmers zur Folge. Es gibt vertragliche und gesetzliche Anspruchsgrundlagen, die bestimmte Nachteile des Auftragnehmers ausgleichen, sofern die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind.
In der VOB/B gibt es z.B. den Anspruch auf Schadensersatz nach § 6 Abs.6 VOB/B. Wenn ich das Thema Nichtjuristen erläutere, schreibe ich immer den Paragrafen an die Tafel und male ein Kreuz daneben. Denn nach der wohl herrschenden Meinung ist es so, dass die Regelungen nach § 3 VOB/B (z.B. rechtzeige Vorlage der für die Ausführung notwendigen Unterlagen) eine Obliegenheit und keine Pflicht des Auftraggebers darstellt. Der Schadensersatzanspruch benötigt jedoch eine solche Pflichtverletzung. Wenn vertraglich aber keine Pflichten vereinbart sind, bleibt es bei den gesetzlichen Pflichten des Auftraggebers: Abnahme und Zahlung. Diese sind in der Regel aber nicht die Ursache für Behinderungen im Bauablauf. Praktisch ist der § 6 Abs.6 VOB/B tot.
Alternativ kann der Bauunternehmer versuchen, die Nachteile durch § 642 BGB zu kompensieren. Demnach habe ich als Bauunternehmer einen verschuldensunabhängigen Anspruch für vergeblich vorgehaltene Produktionsmittel während des Annahmeverzugs des Auftraggebers, also bei Stillstandszeiten. Da die Baustelle aber häufig nicht komplett stillsteht, sondern es stattdessen zu vielen kleinen Effizienzstörungen kommt, die sich in der Summe aber erheblich auswirken, muss der Bauunternehmer jede einzelne Behinderung und deren Auswirkung anzeigen und sauber dokumentieren. Die Oberlandesgerichte haben hier zuletzt vermehrt eine „bauablaufbezogene Darstellung“ verlangt und sind dabei häufig weit über die Vorgaben des BGH zur bauablaufbezogenen Darstellung hinausgeschossen. Hier lohnt sich eine Nachlese der einschlägigen BGH-Urteile.
Im Trend liegt bei mir die Abrechnung der tatsächlich erforderlichen Mehrkosten über geänderte und/oder zusätzliche Leistungen nach § 2 Abs.5 und 6 VOB/B. Der BGH benennt auch mittelbare Folgen einer geänderten oder zusätzlichen Leistung als Kosten des Nachtrags – was die Möglichkeit aufmacht, auch die bauzeitrelevanten Mehrkosten eines Nachtrags darüber abzuwickeln.
Können Sie das an einem Beispiel deutlich machen?
Ja, gerne: Ein Bauunternehmer sollte ein Haus abbrechen. Im Zuge der Abbrucharbeiten stellte sich heraus, dass einiges kontaminiert war. Dazu stand aber nichts in der Leistungsbeschreibung. Also konnte der Bauunternehmer einen Nachtrag aufgrund einer geänderten Leistung geltend machen. Es folgten komplizierte Anschlussarbeiten inklusive Asbestentsorgung, währenddessen der Bagger nicht arbeiten und kein Geld verdienen konnte. Die Bauzeit verlängerte sich. Hier würde ich die nachtragsbedingten Stillstandzeiten des Baggers und die nachtragsbedingt verlängerte Vorhaltung der Baustelleneinrichtung, Bauleiter etc. über den Nachtrag der geänderten Leistung abrechnen. Das funktioniert soweit gut, allerdings ist das Ganze sehr dynamisch und ich bin gespannt, wo die Reise hingeht.
Punkt fünf auf der Liste ist die Vertragsstrafe. Welche Rolle spielen diese in der VOB/B und wie gehen Sie damit um?
Die Vertragsstrafen dienen als Sicherungsinstrument für den Auftraggeber, um die fristgerechte und vertragsgemäße Erfüllung der Bauarbeiten durch den Auftragnehmer zu gewährleisten. Natürlich gehören Vertragsstrafen in jeden Bauvertrag, allerdings bezeichne ich sie gerne als ‚Scheinriesen‘, denn ihre Möglichkeiten sind gerade bei lang andauernden Bauvorhaben begrenzt. So führen Nachträge und Bauablaufstörungen häufig dazu, dass der ursprünglich vereinbarte Fertigstellungstermin und damit häufig auch die Vertragsstrafe hinfällig wird. Dem kann man versuchen mit terminneutralen Vertragsstrafenvereinbarungen entgegenzuwirken. Aber auch diese erfordern regelmäßig das Vereinbaren eines neuen Fertigstellungstermins, was sich gerade bei Bauablaufstörungen und Streitigkeiten über deren Verursachungsbeiträgen als schwierig gestaltet.
Dennoch: Die Androhung einer Vertragsstrafe wirkt präventiv und disziplinierend auf den Auftragnehmer, da er bei Verzug mit der Leistung mit finanziellen Konsequenzen rechnen muss. Im Falle des Verzugs kann der Auftraggeber die vereinbarte Vertragsstrafe als pauschalierten Schadensersatz verlangen, ohne den konkreten Schaden nachweisen zu müssen.
Wie sieht es mit dem Thema Abnahme aus?
Die Abnahme hat ausschließlich positive Wirkung für den Unternehmer und muss deshalb in seinem zentralen Interesse liegen. Der Auftragnehmer muss also alles daran setzen, dass seine Leistungen so schnell wie möglich abgenommen werden.
Im neuen Bauvertragsrecht gibt es nun den § 640 Abs. 2 BGB, der die fiktive Abnahme regelt. Danach gilt ein Werk als abgenommen, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat.
Die klassische Form der Abnahme in Bauverträgen, insbesondere bei VOB/B-Verträgen, ist hingegen die förmliche Abnahme. Wichtig ist, diese auch AGB-sicher zu gestalten und mit der Vereinbarung der förmlichen Abnahme nicht auch die Abnahmefiktion nach § 640 Abs.2 BGB auszuschließen. Denn wenn die förmliche Abnahme vereinbart und dabei auch die Abnahmefiktion nach BGB ohne Ausnahme ausgeschlossen wird, dann verstößt diese Klausel gegen das gesetzliche Leitbild und ist unwirksam.
Das kann sich wiederum auch negativ auf die Vertragssicherheiten auswirken. Eine Klausel, die auch die fiktive und die konkludente Abnahme ausschließt, kann dazu führen, dass das Gewährleistungsende über Jahre hinausgeschoben wird, weil der Auftragnehmer dies nicht beeinflussen kann. Das ist sehr dünnes Eis und man muss aufpassen, dass die Klauseln halten. Denn wenn ich die Gewährleistungsbürgschaft also erst zu einem späteren Zeitpunkt nach der Abnahme gegen die Vertragserfüllungsbürgschaft austauschen kann, weil die förmliche Abnahme die fiktive und die konkludente Abnahme ausschließt, dann kann das dazu führen, dass auch die Sicherheitsabrede unwirksam ist und der Auftragnehmer die Sicherheit für Mängelrechte gar nicht erst stellen muss. Und das wäre dann wirklich blöd. (lacht)
Lassen Sie uns zur Durchsetzung und Abwehr von Mängelansprüchen kommen. Vor dem Hintergrund der aktuellen BGH-Rechtsprechung – Stichwort Mängelrechte vor Abnahme – ein derzeit hochspannendes Thema, oder?
Die Rechtsprechung des BGH ist klar: Keine Mängelrechte vor Abnahme! Das hat er für das BGB schon mal gesagt und die VOB/B-Regelung zu Mängelrechten vor der Abnahme, den § 4 Abs.7 VOB/B, für unwirksam erklärt. Vor der Abnahme kann der Besteller die ordnungsgemäße Erfüllung verlangen und notfalls unter bestimmten Voraussetzungen kündigen. Die Rechtsprechung des BGH zu den Mängelrechten vor Abnahme ist für die Praxis von großer Bedeutung, weil hier die Mängelrechte vor der Abnahme noch Gang und Gäbe sind. Besteller sollten sich daher bewusst sein, dass sie vor Abnahme des Werks nur noch zur ordnungsgemäßen Erfüllung auffordern können. Da sind wir wieder bei der Praxis, die begeistert. (lacht) Insgesamt ein schwieriges Thema und eine harte Nuss, die wir gerade auch in der Vertragsgestaltung knacken müssen.
Dazu passt das nächste Thema, das in VOB/B-Verträgen immer wieder zu Fehlern führt: Die Kündigung des Bauvertrags!
Eins vorweg: Wer kündigt kann richtig viel verlieren. Punkt! Wie oben ausgeführt, funktioniert die Kündigung wegen unterlassener Mängelbeseitigung vor der Abnahme nicht. Auch bei einer Kündigung aus wichtigem Grund muss man sich zu 100 Prozent sicher sein, dass der wichtige Grund auch Bestand hat und halten wird. Stellt sich später heraus, dass der wichtige Grund fehlt, dann haben wir statt der Kündigung aus wichtigem Grund eine freie Kündigung des Auftraggebers oder eine unberechtigte Kündigung des Auftragnehmers; beides mit jeweils ganz schlechten Folgen. Ich sehe die Kündigung des Bauvertrags als letztes Mittel an, wenn wirklich nichts anderes mehr geht. Das Thema ist äußerst komplex und man kann ganz viel falsch machen. Daher würde ich als Auftraggeber oder Auftragnehmer einen Bauvertrag niemals ohne anwaltliche Begleitung kündigen.
Wie können Bauprofis sicherstellen, dass sie möglichst wenig Fehler machen?
Mein Tipp: Fortbildung hilft. Die rechtlichen Grundlagen sind in ständiger Bewegung – Gesetze ändern sich, die Rechtsprechung tut ihr Übriges. Bauunternehmen und andere am Bau Beteiligte sollten hier möglichst dranbleiben und sich regelmäßig rechtlich fortbilden. Denn was heute gilt, kann morgen schon überholt sein.
Über den Autor
Rechtsanwalt Frederic Jürgens ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Er berät vollumfänglich im Bereich des Bau- und Immobilienrechts. Schwerpunkte seiner Beratung sind das Verfassen und Verhandeln sämtlicher Arten von Immobilien-, Kauf- und Werkverträgen sowie die baubegleitende Beratung. Auf dem Gebiet der Projektentwicklung berät Herr Jürgens seine Mandanten in allen Projektphasen. Er hält regelmäßig Fachvorträge, führt Mitarbeiterschulungen durch, ist ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift „IBR Immobilien- & Baurecht“ und seit 2023 Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein.
Frederic Jürgens
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
- Mitglied der ARGE Baurecht