19.03.2024 – Das Arbeitsumfeld der Projektsteuerung/Die Gesamtschuld – Projektmanager (d.h. Projektleiter und Projektsteuerer), Architekten, Ingenieure und Bauunternehmen arbeiten zur Erreichung der Projektziele mit unterschiedlichen Leistungsinhalten eng und interaktiv zusammen. Wenn dann Fehler der Planung oder Mängel der Ausführung ersichtlich werden, stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit. Wenn die Projektsteuerung und gleichzeitig Architekten/Fachingenieure oder auch Bauunternehmen für die Entstehung eines Mangels am Bauvorhaben einzustehen haben, kann eine Gesamtschuld i.S.d. § 421 BGB entstehen. In einem solchen Fall kann der Auftraggeber seine Mängelhaftungsansprüche nur einmal einfordern. Die Leistung des Einen befreit auch den Anderen. Derjenige, der geleistet hat, kann nach Maßgabe des § 426 BGB von dem/den Anderen Ausgleichung verlangen.
In einem solchen Fall kann der Auftraggeber grundsätzlich auswählen, bei welchem Schuldner er seine Schadensersatzansprüche geltend machen will. Der zunächst in Anspruch Genommene (Unglückliche) muss nun versuchen, seinen Ausgleichsanspruch gegen den Mitverursacher im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 2 BGB geltend zu machen und trägt damit auch dessen Insolvenzrisiko.
2. Eckpfeiler der gesamtschuldnerischen Haftung bei Mängelsachverhalten
Nach einer Entscheidung des großen Zivilsenats des BGH vom 01.02.1965 ist davon auszugehen, dass der objektüberwachende Architekt und der Bauunternehmer, soweit es um die Errichtung des Bauwerks geht, keine Gesamtschuldner sind, zumal der Architekt im Rahmen der Objektüberwachung nicht das Bauwerk selbst schuldet, sondern nur mittels einzelner Leistungen dafür zu sorgen hat, dass das Bauwerk frei von Mängeln entsteht und zur Vollendung kommt. Gleichwohl liege, wenn ein Mangel am Bauwerk eingetreten ist, eine planmäßige Zweckgemeinschaft hinsichtlich der Mängelhaftungsansprüche vor. Objektüberwachender Architekt und Bauunternehmer hätten jeweils auf ihre Art für die Beseitigung desselben Schadens einzustehen, den der Bauherr dadurch erlitten hat, dass jeder von ihnen seine vertraglich geschuldeten Pflichten mangelhaft erfüllt hat. Die gesamtschuldnerische Haftung bestehe auch dann, wenn dem Auftraggeber gegen den Bauunternehmer Nacherfüllungs- und gegen den Architekten Schadensersatzansprüche zustehen. Die Leistungen seien nicht grundsätzlich verschieden, sondern hätten annähernd den gleichen Inhalt, wie dies § 421 BGB voraussetze (hart an der Grenze zur inhaltlichen Gleichheit [Identität]). Weitere Anforderungen an die Leistungsidentität, wie eine „Gleichstufigkeit“ oder „Gleichrangigkeit“ der Verpflichtungen, hat der große Zivilsenat des BGH für derartige Fälle nicht gefordert.
Diese Rechtsprechung ist durch den Gesetzgeber mit der Einführung des § 650t BGB im Rahmen der Modernisierung des Bauvertragsrechts mit der Besonderheit bestätigt worden, dass der Architekt oder Ingenieur wegen eines Überwachungsfehlers erst in Anspruch genommen werden kann, wenn der Auftraggeber dem bauausführenden Unternehmer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hatte.
3. Neue Akzente durch die BGH-Entscheidung vom 01.12.2022
In einer neueren Entscheidung vom 01.12.2022 hat der 7. Zivilsenat des BGH den Anwendungsbereich einer gesamtschuldnerischen Haftung zwischen Architekten und bauausführenden Unternehmen eingegrenzt. Im Falle einer vertragswidrig unterlassenen Objektbegehung zur Mängelfeststellung vor Ablauf der Verjährungsfristen sei ein einheitlicher Leistungszweck nicht mehr gegeben. Der 7. Zivilsenat stellt insoweit auf eine notwendige Gleichstufigkeit der Verpflichtungen des Architekten und ausführenden Unternehmens ab und knüpft dabei an ein vielfach für erforderlich gehaltenes ungeschriebenes Merkmal der in § 421 BGB geschuldeten Leistungsidentität an. Mangels einer solchen Gleichstufigkeit sei eine gesamtschuldnerische Haftung zwischen einem objektbetreuenden Architekten (Lph. 9 entsprechend HOAI) und einem bauausführenden Unternehmen in einem solchen Fall zu verneinen. Bei einem derartigen Sachverhalt sei die Erstellung des Bauvorhabens bereits erfolgt. Die im Wesentlichen auf die Verhinderung einer Verjährung der Mängelansprüche gegen den bauausführenden Unternehmer gerichteten Pflichten des objektbetreuenden Architekten seien mit denjenigen des Bauunternehmens zur Nacherfüllung nicht gleichrangig. Der BGH verweist dabei auf vorangegangene Entscheidungen aus dem Versicherungsrecht. In einer dieser Entscheidungen, nämlich der Entscheidung vom 28.11.2006, hat der BGH ausgeführt:
„An einer solchen Gleichstufigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn sich aus der rechtlichen Ausgestaltung einer der in Frage kommenden Verpflichtungen im Außenverhältnis zum Gläubiger ergibt, dass diese nur für die Liquidität einer anderen Verpflichtung begründet wurde, mithin ihr Leistungszweck gegenüber dieser anderen Verpflichtung sich als vorläufig und/oder subsidiär oder somit nachrangig darstellt.
Auf die Voraussetzungen der Gleichrangigkeit für ein gesetzlich nicht ausdrücklich bestimmtes und auch vertraglich nicht vereinbartes Gesamtschuldverhältnis kann nicht verzichtet werden; der in der Literatur vertretenen, abweichenden Auffassung (es folgen Nachweise) ist nicht zu folgen. Wenn einer der Beteiligten nur subsidiär oder vorläufig für eine andere Verpflichtung eintreten muss, besteht ein Rangverhältnis zu den Verpflichtungen der anderen Schuldner, welches regelmäßig für die Modalitäten eines Regresses ausschlaggebend ist. Ausgleich und Regress in einem Gesamtschuldverhältnis sind wesentlich vom Grundsatz einer ausgleichenden Gerechtigkeit bestimmt (vgl. BGHZ 108, 179, 183 = NJW 1989, 2530). Insbesondere ist in einem Gesamtschuldverhältnis, das aus mehr als zwei Gesamtschuldnern besteht, der Ausfall eines der Gesamtschuldner durch Insolvenz gemäß § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB solidarisch von allen übrigen entsprechend den auf sie im Innenverhältnis entfallenden Anteilen zu tragen. Dies passt nicht zu einer Verpflichtung, die in einem Rangverhältnis zu den Verpflichtungen der übrigen Schuldner steht.“
Auf dieser Basis hat der 7. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung vom 01.12.2022 argumentiert, die Tilgungsgemeinschaft fehle, weil der Schadensersatzanspruch gegen den Architekten nicht vor Eintritt der Verjährung der gegen den Bauunternehmer gerichteten Mängelansprüche entstanden sei.
4. Auswirkungen auf die Projektsteuerung?
Die Projektsteuerung schuldet regelmäßig keine Planung und auch nicht die Erstellung eines Bauwerks, sodass im Verhältnis der Projektsteuerung zu planenden und bauausführenden Unternehmen ebenfalls keine Gesamtschuld i.S.d. § 421 BGB besteht. Fraglich ist aber, ob nicht ebenfalls eine Gesamtschuld vorliegen kann, wenn eine Haftung des Projektsteuerers wegen einer mangelbehafteten Planung oder Bauausführung neben den mängelhaftungsverpflichteten Architekten und/oder Bauunternehmen besteht. In diesem Kontext stellt sich erst recht die Frage, ob auf der Grundlage der Entscheidung des 7. Zivilsenates des BGH zur Erforderlichkeit einer Gleichrangigkeit/Gleichstufigkeit, die seit geraumer Zeit umstrittene Frage einer gesamtschuldnerischen Haftung des Projektsteuerers für Mängel der Planung und Ausführung neu ausgelotet werden muss.