WEG zieht Mängelansprüche an sich: Erwerber ist nicht (mehr) prozessführungsbefugt!

19.12.2021 – OLG Frankfurt, Urteil vom 28.05.2019 – 14 U 253/10; BGH, Beschluss vom 23.06.2021 – VII ZR 142/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB § 275 Abs. 1, § 631 Abs. 1, §§ 633, 634 Nr. 1; WEG § 10 Abs. 6, § 21 Abs. 5 Nr. 2

1. Grundsätzlich steht dem Erwerber einer Eigentumswohnung die Befugnis zu, seine individuellen Rechte aus dem Vertrag gegenüber dem Veräußerer selbstständig zu verfolgen. Dies gilt auch für Rechte, die auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichtet sind, solange durch sein Vorgehen gemeinschaftlich gezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt sind.
2. Zieht die Wohnungseigentümergemeinschaft die Durchsetzung der auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte an sich, begründet sie damit ihre alleinige Zuständigkeit. Ein selbstständiges Vorgehen des Erwerbers ist ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn die Eigentümergemeinschaft abweichende Mängelbeseitigungsmaßnahmen beschließt oder ganz bzw. teilweise auf bestimmte Maßnahmen verzichten will.
3. Die Begründung der gekorenen Ausübungsbefugnis des Verbands hat zur Folge, dass die einzelnen Wohnungseigentümer nicht mehr prozessführungsbefugt sind.

Problem/Sachverhalt

Der klagende Erwerber kauft zwei Eigentumswohnungen vom Bauträger. Entgegen den vertraglichen Zusagen wird anstelle der Erdwärmepumpe eine Luftwärmepumpenanlage als Heizungsanlage installiert. Nach Einholung von drei Sachverständigengutachten, die die Erfüllungsklage als begründet erscheinen lassen, entscheidet die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), dass sie die Umgestaltung der bestehenden Heizungsanlage entsprechend dem Klageantrag ablehne.

Entscheidung

Die Klage wird abgewiesen! Zwar habe der Erwerber ein Recht auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums. Ziehe die WEG jedoch die Durchsetzung der auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte an sich, begründe sie ihre alleinige Zuständigkeit, wodurch ein selbstständiges Vorgehen des Erwerbers ausgeschlossen sei. Dann könne der einzelne Wohnungseigentümer seinen Erfüllungs-/Mängelanspruch nicht mehr gegen den Willen der WEG verfolgen (BGH, IBR 2007, 318, und IBR 2014, 274).

Praxishinweis

Das OLG Frankfurt hatte die Rechtskraft der Beschlüsse der WEG abgewartet und die vom Erwerber behaupteten Nichtigkeitsgründe nicht anerkannt. Der offensichtlich seitens des Erwerbers sehr schnell eingeleitete Prozess gegen den Bauträger und seine immensen Kostenfolgen zum Nachteil des Erwerbers (obwohl er isoliert betrachtet wohl Recht gehabt hätte) erfordert die Unterstreichung des Hinweises in der Literatur, dass Mängel am Gemeinschaftseigentum in der Eigentümergemeinschaft gemeinsam erörtert werden sollen, damit eine dem Mehrheitswillen entsprechende Rechtsverfolgung beschlossen wird (s. Kniffka/Köble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 10. Teil Rz. 517). Dies erfordert insbesondere dann mehr Zeit, wenn der Beschluss der WEG angefochten wird. Dieses von einzelnen Erwerbern subjektiv als Nachteil empfundene Procedere trägt jedoch dem Umstand Rechnung, dass über Gemeinschaftseigentum letztlich nur gemeinschaftlich disponiert werden kann. Prozessual war unter Berücksichtigung der Überlegungen des OLG Frankfurt eine Erledigung in der Hauptsache eingetreten, so dass die Erklärung des Rechtsstreits in der Hauptsache für erledigt die für den Erwerber extrem nachteilige Kostenfolge hätte vermeiden können.

RA und Notar, FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Stephan Kleinjohann