Architekt haftet nicht für Schäden durch nachträglich angelegte – nicht notwendige – Wartungswege!

18.12.2021 – OLG Celle, Urteil vom 01.09.2021 – 14 U 114/20 BGB §§ 280, 633, 634 Nr. 4, § 823

Der Architekt haftet nicht für die Kosten der Sanierung eines Flachdaches, wenn das von ihm ausgeschriebene und verwendete Dämmmaterial die übliche Beschaffenheit aufweist, den anerkannten Regeln der Technik entspricht, und die Schäden am Dach auf nachträglich und ohne Kenntnis des Architekten vom Auftraggeber als – nicht notwendige – Wartungswege verlegte Betonplatten zurückzuführen sind.

Problem/Sachverhalt

Der mit den Leistungsphasen 1 bis 9 nach HOAI beauftragte Architekt begehrt von der beklagten Stadt sein Honorar für Architekten- und Ingenieurleistungen. Die Unternehmerleistungen im Dach- und Klempnerbereich werden Ende 2010 abgenommen. Im Jahr 2011 lässt die Stadt ohne Kenntnis und Mitwirkung des Architekten Betonplatten als Wartungswege durch einen Drittbetrieb auf dem Dach anbringen. Im Sommer 2012 werden Mängel im Bereich der Dämmung des Daches festgestellt. Das Dach wird daraufhin saniert. Das Architektenhonorar ist dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Gegen die vom Architekten mit der Klage verfolgten Honoraransprüche rechnet die Stadt jedoch mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe der Sanierungskosten von 249.950,47 Euro auf. Das Landgericht gab der Klage statt.

Entscheidung

Das OLG bestätigt die Entscheidung des Landgerichts. Die Beweislast für die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche liege bei der Stadt. Sie habe als Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen, dass die auf dem Dach aufgetretenen Schäden an der Dämmung durch eine fehlerhafte Planung oder eine fehlerhafte Bauaufsicht seitens des Architekten verursacht worden seien. Das schließe auch den Nachweis ein, dass die von der Stadt nachträglich hergestellten Wartungswege nicht verantwortlich für die Beschädigung des Daches seien. Diesen Beweis habe die Stadt nicht geführt. Die Druckfestigkeit des verwendeten Materials sei ausreichend gewesen. Die Schäden resultierten wahrscheinlich aus der Beanspruchung durch die außerordentliche Lagerung von schwerem Material auf dem Dach. Die Stadt habe nach Abnahme der Dacharbeiten eigenmächtig auf dem Dach Wartungswege anlegen lassen und den Architekten dabei nicht hinzugezogen.

Praxishinweis

Die Leistungen des Architekten waren bei Feststellung der Beschädigungen des Daches noch nicht abgenommen, weil der Architekt auch mit der Leistungsphase 9 beauftragt war. Grundsätzlich lag die Beweislast für eine mangelfreie Leistung daher bis zur Abnahme seiner Leistung beim Architekten. Die Gerichte gehen jedoch von einer Beweislastumkehr aus, denn (?) die Stadt mache im Wege der Primäraufrechnung einen Schadensersatzanspruch geltend. Die Rechtsnatur dieses Schadensersatzanspruchs bleibt ebenso ungeklärt wie der daraus gezogene Schluss auf eine Umkehr der Beweislast. Auch der Hinweis auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf, IBR 2019, 488, hilft da nicht weiter: Dort geht es um die Beweislastverteilung vor der Abnahme – und nicht um eine Beweislastumkehr.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Verwaltungsrecht Prof. Dr. Mathias Preussner