Verbindliche Zwischentermine auch ohne ausdrückliche Vereinbarung!

KG, Urteil vom 26.04.2022 – 21 U 1030/20 BGB § 271 Abs. 1, § 323 Abs. 1, 4, § 631 Abs. 1, §§ 648, § 648a Abs. 1; ZPO § 287 Abs. 2

1. Insbesondere bei einem Werk- oder Architektenvertrag können die Parteien die gesonderte Fälligkeit von Teilleistungen vereinbaren, die nicht am Ende der Vertragsdurchführung stehen, sondern einen Zwischenerfolg darstellen.*)
2. Eine solche Vereinbarung kann auch konkludent getroffen werden und setzt nicht voraus, dass die Parteien kalendermäßig eine Frist oder einen Termin bestimmt haben. Der Fälligkeitszeitpunkt der Teilleistung ist gegebenenfalls durch Auslegung, notfalls mit Hilfe der Vermutung des § 271 Abs. 1 BGB zu bestimmen.*)
3. Erbringt der Werkunternehmer eine Teilleistung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht, kann der Besteller unter den Voraussetzungen von § 323 Abs. 1 BGB vom Vertrag zurücktreten bzw. ihn aus wichtigem Grund kündigen; auf § 323 Abs. 4 BGB kommt es nicht an.*)
4. Ein Zivilgericht kann den Streit zwischen zwei Prozessparteien über den von einem Architekten erreichten Leistungsstand und die Höhe des sich daraus ergebenden Honorars in geeigneten Fällen ohne Hinzuziehung eines Honorarsachverständigen nach freier Überzeugung entscheiden (§ 287 Abs. 2 ZPO).*)

KG, Urteil vom 26.04.2022 – 21 U 1030/20

BGB § 271 Abs. 1, § 323 Abs. 1, 4, § 631 Abs. 1, §§ 648, § 648a Abs. 1; ZPO § 287 Abs. 2

Problem/Sachverhalt

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Architekt mit einzelnen Teilen der Architektenleistung in Verzug geraten? Mit dieser Frage hatte sich das KG zu beschäftigen. Der Auftraggeber (AG) beabsichtigt das Dachgeschoss seines Wohnhauses zu Eigentumswohnungen umzubauen. Hierzu beauftragt er den Architekten (A) u. a. mit der Ausführungsplanung und mit der Erstellung einer Leistungsbeschreibung. Ende März weist der AG den A darauf hin, dass weder eine Leistungsbeschreibung noch eine Ausführungsplanung erstellt sei. Sie setzt ihm vergeblich eine Frist zur Leistungserbringung bis zum 04.04. Am 09.04. kündigt er schließlich den Architektenvertrag. A macht sein Honorar auf der Grundlage einer freien Kündigung durch den AG geltend. Der AG wendet ein, A stehe nur die „kleine Kündigungsvergütung“ zu, da er das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt habe.

Entscheidung

Mit diesem Einwand hat der AG Erfolg! Er war berechtigt, den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen. A wäre verpflichtet gewesen, bis zum 03.03. die zeichnerische Ausführungsplanung und die Leistungsbeschreibung zu erstellen. Diese Zwischenfrist haben die Parteien konkludent vereinbart. Der AG hatte nämlich erkennbaren Wert darauf gelegt, bereits im März mit der Bauausführung beginnen zu können. Nach Ablauf der bis Anfang April gesetzten Frist konnte er den Architektenvertrag daher fristlos kündigen. A steht daher – anders als im Fall einer freien Kündigung gem. § 648 BGB – lediglich ein Honoraranspruch für bereits erbrachte Architektenleistungen zu. Die Höhe dieses Honoraranspruchs kann das Gericht gem. § 287 ZPO schätzen.

Praxishinweis

Grundsätzlich steht dem Auftraggeber ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 648a Abs. 1 BGB nur dann zu, wenn A mit der Gesamtleistung in Verzug geraten ist, oder wenn offensichtlich ist, dass er zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt nicht leisten wird (§ 323 Abs. 4 BGB). Anders verhält es sich nur, wenn die Parteien für einzelne Teilleistungen Zwischenfristen vereinbart haben. Dies kann – so das KG – auch konkludent erfolgen. Dennoch sollte der Auftraggeber bei Vertragsschluss stets darauf bedacht sein, für besonders wichtige Teilleistungen bindende Zwischenfristen zu vereinbaren.

RiOLG Marc Plücker, Köln