„Pfusch am Bau“ ist kein Befangenheitsgrund!

OLG Rostock, Beschluss vom 26.08.2020 – 4 W 30/20 ZPO § 406

Die mit Verweis auf Verwendung als bloß „nichttechnische Begrifflichkeit“ erfolgte Bezeichnung der Leistungen einer Partei als „Pfusch am Bau“ durch den Sachverständigen im Zusammenhang mit von ihm festgestellten Mängeln begründet nicht die Befangenheit dieses Sachverständigen.

OLG Rostock, Beschluss vom 26.08.2020 – 4 W 30/20

ZPO § 406

Problem/Sachverhalt

Der gerichtliche Sachverständige (S) soll klären, inwieweit die Bauleistung des Unternehmers (U) nicht ordnungsgemäß ist. Zur Ortsbesichtigung des S erscheint nur der Besteller (B), der S Fotos aushändigt und weitere Fotos nachfolgend per Mail sendet. S formuliert in seinem Gutachten dann u. a.: „Die … übergebenen Fotos aus der Bauzeit zeigen die ‚Hinterlassenschaften‘ des Antragsgegners. … weitere Fotos aus der Zeit mit Beginn des Abrisses des Altgebäudes bis zum Abbruch der Arbeiten durch den Antragsgegner … wurden … per E-Mail übersandt … die insgesamt erhaltenen Unterlagen … werden mit Abgabe des Sachverständigengutachtens mit an das Gericht übergeben.“ Im Gutachten findet sich nach technischen Darstellungen dieser Text: „Ob der Antragsgegner die … Anforderungen erfüllt, dürfte aus Sicht des Unterzeichners mehr als fraglich sein. Aus den gewonnenen Eindrücken durch die örtlichen Feststellungen, zusätzlichen Fotos des Antragstellers über die Abwicklung der Baustelle bleibt nur festzustellen, dass die gesamte handwerkliche Arbeit jegliche Verbindung zu den Regeln der Technik im Erd- und Rohrleitungsbau sowie Bau von Versickerungsanlagen vermissen lässt. Die Arbeiten können mit einer nichttechnischen Begrifflichkeit als Pfusch am Bau bezeichnet werden.“ U kommt mit dem gegen S gerichteten Befangenheitsgesuch, das das Landgericht zurückweist.

Entscheidung

Das OLG weist die Beschwerde des U gegen diesen Beschluss zurück: Diese Entgegennahme der von einer Partei ihm unmittelbar überlassenen Fotos begründet aufgrund deren späteren Bekanntgabe keine Befangenheit; die Formulierung „Pfusch am Bau“ stellt keine den U herabsetzende unsachliche Worteverwendung durch S dar.

Praxishinweis

Den ersten Teil des OLG-Beschlusses gehe ich mit: Werden dem Sachverständigen von einer Partei im Verlauf seiner Ortsbesichtigung und später Fotos angeboten, braucht er diese nicht anzunehmen; immerhin ist er das technische Auge des Richters und nicht dessen Briefkasten; grundsätzlich hat die Korrespondenz der Parteien über das Gericht stattzufinden. Nimmt er diese Fotos, die ja im rechtlichen Sinne Befundtatsachen verkörpern, indes an, muss er deren Erhalt und Inhalt spätestens im Gutachtentext offenlegen. Der zweite Teil des OLG-Beschlusses überzeugt – mich – nicht: Bereits die Bezeichnung „Hinterlassenschaften“ allein aufgrund der Besichtigung bloß von Fotos erscheint – mir – tendenziös; mit der Formulierung „Pfusch am Bau“ geht der Sachverständige über den ihm gerichtlich angetragenen „Auftrag“ hinaus; er soll aus seiner technischen Sicht hinreichend konkrete technische Angaben zum Ist- und zum Sollzustand liefern, damit das Gericht daraus nachfolgend seine Schlüsse zum Vorliegen von Baumängeln ziehen kann. Die Verwendung des Wortes „Pfusch“ enthält keine sachliche Information, sondern eine dem Sachverständigen nicht zustehende subjektive Abwertung der Leistung und zusätzlich die Disqualifizierung der Person des so Arbeitenden. Ich hätte insgesamt nicht bloß Befangenheit bejaht, sondern diese Formulierungen als den Wegfall des Vergütungsanspruchs des S auslösende grobe Fahrlässigkeit nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JVEG eingestuft.

VorsRiLG a. D. Prof. Jürgen Ulrich, Dortmund