Der Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B setzt nach dem Wortlaut der Klausel nur voraus, dass die ausgeführte Menge den im Vertrag angegebenen Mengenansatz um mehr als 10% überschreitet und eine Partei die Vereinbarung eines neuen Preises verlangt. Dagegen ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht, dass eine auf die Mengenmehrung kausal zurückzuführende Veränderung der im ursprünglichen Einheitspreis veranschlagten Kosten Voraussetzung für den Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises ist (Anschluss an BGH, IBR 2019, 535).
BGH, Urteil vom 21.11.2019 – VII ZR 10/19
VOB/B § 2 Abs. 3 Nr. 2
Problem/Sachverhalt
Der mit der Herstellung einer Natursteinfassade einschließlich der Fassadendämmung beauftragte Auftragnehmer (AN) stellt nach der Abnahme seiner Leistung die Schlussrechnung, die der Auftraggeber (AG) aufgrund von Mengenmehrungen um 162.560 Euro kürzt. Er meint, der vereinbarte Einheitspreis (EP) sei zumindest um den in ihnen jeweils enthaltenen Anteil der Allgemeinen Geschäftskosten (AGK) herabzusetzen. Der AN erhebt Klage und obsiegt vor dem KG in voller Höhe. Nach Ansicht des KG sei Voraussetzung für einen Anspruch auf Herabsetzung des EP, dass sich Kostenersparnisse beim AN eingestellt hätten, was der AG nicht bewiesen habe. Im Übrigen komme ein Abschlag um den Anteil der AGK nicht in Betracht, weil AGK zur geplanten Gesamtleistung des AN gehören würden. Demzufolge könnten alle Herstellungskosten – auch bei Mengenmehrungen – mit AGK beaufschlagt werden, und zwar konkret mit dem kalkulatorisch vorgesehenen Prozentsatz. Der AG legt Revision ein.
Entscheidung
Mit Erfolg! Der BGH hebt die Entscheidung der Vorinstanz auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück, weil mit der vom KG gegebenen Begründung ein Anspruch des AG auf Vereinbarung eines neuen EP nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht abgelehnt werden kann. Dieser Anspruch setzt keine auf die Mengenänderung kausal zurückzuführende Veränderung der Kosten voraus (siehe Leitsatz). Liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B – Überschreitung des angegebenen Mengenansatzes um mehr als 10% und Verlangen einer Preisanpassung – vor, ist ein neuer EP zu vereinbaren. Dies begründet einen vertraglichen Anspruch auf Einwilligung in einen neuen EP, die Parteien sind zur Kooperation verpflichtet. Können sich die Parteien nicht auf einen neuen EP verständigen, ist dieser im Streitfall vom Gericht zu bestimmen. Das Berufungsgericht hat deshalb auf der Grundlage des BGH-Urteils vom 08.08.2019 (IBR 2019, 535) über die vom AG verlangte Bildung eines neuen EP zu entscheiden und dabei die in jenem Urteil aufgestellten Grundsätze zur Preisbildung zu beachten. Entgegen der auf einem Redaktionsversehen beruhenden Formulierung im Urteil vom 08.08.2019 sind Baustellengemeinkosten nicht im Rahmen angemessener Zuschläge zu berücksichtigen. Bei der Bildung des neuen EP ist ein angemessener Zuschlag für AGK auf die tatsächlich erforderlichen Kosten der über 10% liegenden Mehrmengen zu berücksichtigen. Die Angemessenheit des AGK-Zuschlags kann dabei nicht mit dem bloßen Verweis auf die Kalkulation des AN begründet werden. Das Gericht ist bei der Bestimmung der Höhe gem. § 287 Abs. 2 ZPO zur Schätzung berechtigt.
Praxishinweis
Sofern die Parteien eines VOB-Vertrags nicht übereinstimmend davon ausgehen, dass sich die Höhe des neuen EP bei einer Mengenänderung nach den Grundsätzen der sog. vorkalkulatorischen Preisfortschreibung richtet (BGH, IBR 2013, 332), ist er nach neuester BGH-Rechtsprechung auf der Basis der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge zu bemessen (BGH, IBR 2019, 536).
RA Dr. Stephan Bolz, Mannheim