Planungsbedingte Baumängel: Muss Architekt Vorschuss für Mängelbeseitigung zahlen?

1. Mit der Vorschussklage wird ein einheitlicher Anspruch auf Ersatz der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht. Die Klage umfasst den Vorschussanspruch in der Höhe, in der er zur Beseitigung des Mangels sachlich erforderlich ist.

2. Auf der Grundlage eines durch einen Erstprozess festgestellten Sachverhalts kann der Auftraggeber grundsätzlich weiteren Vorschuss in einem nachfolgenden Klageverfahren fordern. Eine erneute Vorschussklage kann nicht von vorneherein mit der Begründung zurückgewiesen werden, es sei bereits über eine Vorschussklage entschieden.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.06.2019 – 13 U 161/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)

BGB §§ 280633634 Nr. 4; ZPO § 322

Problem/Sachverhalt

Bei den Klägern handelt es sich um Erwerber von Wohnungseigentum, die ihre Einheiten vom Bauträger erworben haben. Die Erwerber gehen wegen der Insolvenz des Bauträgers aus abgetretenem Recht gegen den vom Bauträger mit der Planung und Bauüberwachung beauftragten Architekten wegen Mängeln in der Tiefgarage vor. Die Erwerber verlangen Zahlung eines Kostenvorschusses wegen der durch fehlerhafte Planung und unzureichende Überwachung der Ausführung entstandenen Mängel der Tiefgarage. Die Klage hat in einem „ersten Prozess“ i.H.v. ca. 95.000 Euro Erfolg. In einem „Folgeprozess“ begehren die Erwerber eine Zahlung von weiteren ca. 127.000 Euro, weil der Sachverständige angeblich nur Teilbereiche der Wohnanlage zu Grunde gelegt habe. Auch diese Klage ist erfolgreich. Hiergegen legt der Architekt Berufung ein. Mit Erfolg?

Entscheidung

Nein! Die Klage auf Zahlung eines weiteren Vorschusses ist zulässig. Auf der Grundlage eines durch einen Erstprozess festgestellten Sachverhalts kann ein Auftraggeber grundsätzlich weiteren Vorschuss in einem nachfolgenden Klageverfahren fordern. Eine erneute Vorschussklage kann daher nicht von vorneherein mit der Begründung zurückgewiesen werden, es sei bereits über eine Vorschussklage entschieden. Mit der Vorschussklage wird ein einheitlicher Anspruch auf Ersatz der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht. Die Klage umfasst den Vorschussanspruch in der Höhe, in der er zur Beseitigung des Mangels sachlich erforderlich ist. Der Vorschuss stellt aber nichts Endgültiges dar, sondern muss abgerechnet werden. Gegebenenfalls kann eine Nachzahlung verlangt werden. Die Wirkung der Vorschussklage ist nicht auf den eingeklagten Betrag beschränkt. Sie deckt vielmehr hinsichtlich der Unterbrechung der Verjährung auch spätere Erhöhungen, egal worauf sie zurückzuführen sind, ab, sofern sie nur denselben Mangel betreffen. Hieraus folgt, dass ein Vorschussurteil gleichzeitig auch Elemente eines Feststellungsurteils enthält. Dem Grunde nach wird die Verpflichtung des Auftragnehmers festgestellt, die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten zu tragen, auch wenn das so im Tenor des Urteils keinen Ausdruck findet. Diese Feststellung bezieht sich grundsätzlich nicht nur auf Nachforderungen in Form eines weiteren Vorschusses, sondern auch auf solche in Form von bei der Sanierung angefallenen, den gezahlten Vorschuss übersteigenden Selbstvornahmekosten. Die Vorschussklage ist daher regelmäßig so zu verstehen, dass gleichzeitig die Nachschusspflicht des Auftragnehmers für den Fall festgestellt werden soll, dass der ausgeurteilte Vorschuss nicht ausreicht.

Praxishinweis

Für die Zulässigkeit eines Zweitprozesses zur Geltendmachung eines weiteren Kostenvorschusses ist erforderlich, konkret vorzutragen, in welchem Punkt die ursprüngliche Kostenschätzung des Sachverständigen fehlerhaft gewesen ist und es deshalb zu höheren Kosten kommt.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Janis Heiliger, Düsseldorf