Comeback des Erbbaurechts

20.12.2021 – Das bereits seit über 100 Jahren bestehende Konstrukt des Erbbaurechts erfährt insbesondere bei Kommunen in den letzten Jahren wieder größere Beliebtheit, was insbesondere an den Vorteilen gegenüber einem Grundstückskaufvertrag und den Einflussnahmemöglichkeiten auf die Nutzung des Grundstücks liegt. Nachfolgend wird die wesentliche Struktur eines Erbbaurechts bzw. Erbbaurechtsvertrags aufgezeigt und dabei insbesondere auf die Thematik einer vertragswidrigen Nutzung eines Grundstücks eingegangen.

Struktur und Besonderheiten eines Erbbaurechts

Der grundlegende Unterschied zu einem Verkauf eines Grundstücks liegt bei der Grundstücksüberlassung im Wege eines Erbbaurechts darin, dass das Eigentum bei der Einräumung eines Erbbaurechts unverändert beim Grundstückseigentümer verbleibt.

Das Grundstück an sich wird nicht übertragen, sondern „nur“ für eine bestimmte Zeitdauer dem Erbbaurechtsnehmer zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Insoweit ist es mit einem Pachtvertrag vergleichbar, weshalb Erbbaurechtsverträge umgangssprachlich (aber inkorrekt) häufig als „Erbpachtverträge“ bezeichnet werden. Der Erbbaurechtsnehmer bezahlt dem Grundstückseigentümer einen Erbbauzins, der regelmäßig unter Heranziehung des Grundstückswerts ermittelt wird. Häufig wird auf diese Weise ein Prozentsatz im Bereich von fünf Prozent als Erbbauzins pro Jahr veranschlagt und auf monatliche Teilbeträge aufgeteilt. Um dafür Sorge zu tragen, dass der Erbbauzins wertgesichert ist, bietet sich bei Gewerbegrundstücken zudem an, mit einer Anpassungsklausel bei Veränderungen des Verbraucherpreisindexes des Statistischen Bundesamts zu arbeiten.

Der Unterschied zu einem klassischen Pachtvertrag liegt unter anderem darin, dass das Erbbaurecht eine im Grundbuch eingetragene Belastung des Grundstücks darstellt, das dem Erbbaurechtsberechtigten das vererbliche (daher die Bezeichnung „Erb“baurecht) und veräußerliche Recht einräumt, auf dem Grundstück „ein Bauwerk zu haben“ (§ 1 Abs. 1 ErbbauRG). Ein Pachtvertrag beinhaltet demgegenüber nur die Gebrauchsüberlassung der Sache/des Grundstücks und findet keinerlei dingliche Sicherung im Grundbuch.

Ferner ist eine Besonderheit des Erbbaurechtsvertrags, dass der Erbbaurechtsnehmer Eigentümer seines Bauwerks ist, obwohl ihm das Grundstück nicht gehört – ein rechtliches Ausnahmekonstrukt, weil ein Bauwerk ansonsten stets (als wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks gemäß § 94 BGB) automatisch in das Eigentum des Grundstückseigentümers fällt.

Das Erbbaurecht stellt also insbesondere für den Erbbaurechtsnehmer eine recht „starke“ Rechtsposition dar. Es kann als sog. „grundstücksgleiches“ Recht grundsätzlich weiterverkauft, vererbt oder auch verschenkt werden und insbesondere für Personen/Unternehmen Sinn machen, die ein Grundstück benötigen, aber z.B. nicht über die finanziellen Mittel für einen Grundstückskauf verfügen.

Inhalt des Erbbaurechts, insb. Thema Verwendungszweck

Das Erbbaurecht wird begründet durch Einigung im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrags sowie Eintragung im Grundbuch (§ 11 Abs. 1 ErbbauRG, § 873 Abs. 1 BGB). Der Erbbaurechtsvertrag bedarf dabei der notariellen Beurkundung (§ 11 Abs. 2 ErbbauRG, § 311b Abs. 1 BGB).

Was Gegenstand eines Erbbaurechts ist, ist in § 1 Abs. 1 des Erbbaurechtsgesetzes vorgegeben bzw. definiert: „Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass demjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, das veräußerliche und vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben“. Was daneben noch zum Inhalt des Erbbaurechts gehört, ist in § 2 geregelt. Darunter fallen unter anderem Vereinbarungen über die „Errichtung, die Instandhaltung und Verwendung des Bauwerks“, die sog. Heimfallregelungen und Vertragsstrafenregelungen.

Die Systematik des Erbbaurechtsgesetzes bringt mit sich, dass all diejenigen Inhalte des abzuschließenden Erbbaurechtsrechtsvertrags, die in § 2 des Erbbaurechtgesetzes aufgezählt sind, Gegenstand des dinglichen Erbbaurechts sind. Diese finden somit dingliche Sicherung im Grundbuch und wirken gegenüber Jedermann. Selbstverständlich steht es den Parteien im Wege der Privatautonomie frei, darüber hinaus auch weitere Regelungen im Erbbaurechtsvertrag zu vereinbaren. Diese entfalten dann (aber „nur“) schuldrechtliche Wirkung unter den Vertragsparteien. Das kann beispielsweise eine Regelung sein, wonach für den Abschluss von Mietverträgen über das Bauwerk generell die Zustimmung des Grundstückseigentümers erforderlich ist.

Das zum Inhalt des Erbbaurechts insbesondere eine Vereinbarung über die Errichtung, die Instandhaltung und die Verwendung des Bauwerks gehört, eröffnet insbesondere die Möglichkeit, im Fall eines noch nicht bebauten Grundstücks, dem Erbbaurechtsnehmer eine Bauverpflichtung innerhalb einer bestimmten Zeit aufzuerlegen und auch zu regeln, wie das Bauwerk verwendet werden muss. Es können also Abmachungen dazu getroffen werden, die sich mit der Art des Gebrauchs des Bauwerks befassen. Für den Fall, dass in tatsächlicher Hin-sicht eine vertragswidrige Verwendung des Bauwerks stattfindet, können im Erb-baurechtsvertrag entsprechende Rechtsfolgen (z.B. Vertragsstrafenregelungen, Heimfallanspruch) geregelt werden. Zu beachten ist dabei, dass jede Vereinbarung über einen bestimmten Verwendungszweck des Bauwerks unter dem Gebot von „Treu und Glauben“ steht. Gerade bei den regelmäßig lang dauernden Erbbaurechten (Erbbaurechtsverträge haben regelmäßig eine vereinbarte Laufzeit von 30, 50, oft auch 99 Jahren) kann eine Änderung des ursprünglich vorgesehenen Verwendungszwecks geboten sein, wenn das dem schutzwürdigen Interesse des Erbbauberechtigten entspricht und das dem Grundstückseigentümer zumutbar ist (BGH, Urteil vom 24.02.1984 – V ZR 187/82).

Handhabe des Eigentümers bei vertragswidriger Nutzung

Oft ist in Erbbaurechtsverträgen der Nutzungszweck, dem das Bauwerk dienen soll, festgelegt und dem Grundstückseigentümer ein Heimfallanspruch für den Fall gewährt, dass der Erbbauberechtigte das Bauwerk vertragswidrig nutzt. So kann der Grundstückseigentümer z.B. befugt sein, den Heimfallanspruch auszuüben, wenn die Parteien die Errichtung einer Restauration mit Diskothek vereinbart haben und der Erbbauberechtigte stattdessen ein Striptease-Lokal betreibt. Daneben kann der Heimfallanspruch auch daran geknüpft werden, dass der Erbbaurechtsnehmer der vertraglich vereinbarten Bauverpflichtung nicht nachkommt. Der „Hebel“ des Heimfallanspruchs und die Möglichkeit, dessen Voraussetzungen im Erbbaurechtsvertrag zu vereinbaren, stellen somit geeignete Mittel dar, um den Erbbaurechtsnehmer zu einer vertragsgemäßen Nutzung zu motivieren.

Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung eines Heimfallanspruchs vor, so kann der Grundstückseigentümer entscheiden, ob er davon Gebrauch macht oder nicht. Entscheidet er sich für die Ausübung, so hat der Erbbauberechtigte das Erbbaurecht auf den Grundstückseigentümer zu übertragen (§ 2 Nr. 4 ErbbauRG) und das Grundstück herauszugeben. Es entsteht dann ein sog. „Eigentümererbbaurecht“, indem sich Erbbaurecht und Eigentümerstellung vereinigen. Dieses kann wiederum an einen neuen Erbbaurechtsnehmer übertragen werden. Zwar besteht auch bei einem Grundstückskaufvertrag die Möglichkeit, beim Eintritt bestimmter Voraussetzungen einen Wiederkauf des Verkäufers zu regeln (§ 456 BGB). Die Gestaltungsmöglichkeiten von Heimfallregelungen sind demgegenüber aber weitreichender. Denn gerade bei Rückkaufsregelungen hat die Rechtsprechung Grenzen vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich der Eigentümer schließlich dazu entschieden hat, das Eigentum am Grundstück aufzugeben. Hinzukommt, dass bei einem Erbbaurechtsvertrag in Anbetracht der von vornherein festgelegten Laufzeit von Anfang an feststeht, dass und wann das Erbbaurecht endet. Demgegenüber ist bei einem Rückkaufsrecht regelmäßig gerade ungewiss, ob dieses einmal ausgeübt und das Grundstück zurückerhalten werden kann oder nicht.

Wird ein Grundstück nicht entsprechend des vereinbarten Verwendungszwecks genutzt, stehen neben der Ausübung des Heimfallanspruchs auch die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen oder – wenn dies im Erbbaurechtsvertrag wirksam angelegt ist – Vertragsstrafenansprüche zur Verfügung.

Beendigung

Das Erbbaurecht endet „automatisch“ mit Ablauf der vereinbarten Laufzeit oder vorher durch Ausübung des Heimfallanspruchs. In beiden Fällen sieht das ErbbauRG vor, dass der Erbbaurechtsnehmer eine Entschädigung für das Bauwerk erhält, die sich allerdings auch – unter Beachtung AGB-rechtlicher Grenzen – vertraglich abbedingen lassen. Auch die Aufnahme einer Rückbauverpflichtung zu Lasten des Erbbaurechtsnehmers wird in der Kommentarliteratur für grundsätzlich möglich gehalten (so z.B. Bardenhewer, in: Ingenstau/Hustedt, Kommentar ErbbauRG, 11. Aufl. 2018, § 34 Rn. 3).

Fazit

Dass das Konstrukt des Erbbaurechts vor allem bei Kommunen wieder größere Beliebtheit erfährt, ist nachvollziehbar. Denn gerade aus der Perspektive der öffentlichen Hand, die den zur Verfügung stehenden Boden für in der Zukunft liegende städtebauliche Maßnahmen (wieder) benötigt, kann die Bestellung eines Erbbaurechts eine durchaus geeignete Alternative anstelle eines Verkaufs eines Grundstücks sein. Ferner wird im Wege eines Erbbaurechts sichergestellt, dass der Grund und Boden im Eigentum der Gemeinde bleibt und demnach eintretende Wertsteigerungen der Grundstücke wieder den Gemeinden und damit der Allgemeinheit zugutekommen.

Rechtanwältin Natalie Hahn
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht