1. Wendet sich ein Nachbar gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung und hat der Begünstigte von der Baugenehmigung bereits durch Errichtung der baulichen Anlage Gebrauch gemacht, kann eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Beeinträchtigungen, die vom Baukörper selbst ausgehen, dem Eilrechtsschutz suchenden Nachbarn in aller Regel keinen Vorteil mehr bringen. Der Antrag nach § 80a Abs. 3 und 1 Nr. 2 Alt. 1 sowie § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist dann insoweit wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.*)
2. Einwendungen des Nachbarn, die das Maß der baulichen Nutzung und die Gestaltung des Bauvorhabens des Bauherrn sowie die Besonnung, Belichtung und Belüftung des eigenen Grundstücks zum Gegenstand haben, kann im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gerade nicht mehr zur Geltung verholfen werden.
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.04.2019 – 5 S 2102/18
BauGB § 34 Abs. 1, 2; BauNVO § 12 Abs. 2; LBO-BW § 37 Abs. 1; VwGO §§ 80, 80a
Problem/Sachverhalt
Der Eigentümer eines Grundstücks hat eine Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus nebst Stellplätzen erhalten. Den Baukörper des Hauses hat der Eigentümer daraufhin bereits errichtet. Der Nachbar fühlt sich durch das Bauvorhaben in seinen Rechten verletzt und versucht, das Bauvorhaben und dessen Nutzung im Rahmen des Eilrechtsschutzes noch zu verhindern.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis des Nachbarn, stellt der VGH fest. Wendet sich ein Nachbar gegen eine Baugenehmigung und hat der Begünstigte der Baugenehmigung bereits die bauliche Anlage errichtet, kann eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen angeblicher Beeinträchtigungen, die vom Baukörper selbst ausgehen, dem Nachbarn im Eilrechtsschutz keinen Vorteil bringen. Es fehlt mithin an dem für den einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Nach Errichtung des Bauvorhabens entsprechend der Baugenehmigung erfordert die Gewährung effektiven Rechtsschutzes in aller Regel keine Aussetzung der Vollziehung mehr, da die Baugenehmigung insoweit bereits vollzogen wurde. Der Baukörper des geplanten Wohngebäudes wurde bereits errichtet. Damit kann den Einwendungen des Nachbarn, die das Maß der baulichen Nutzung und die Gestaltung des Bauvorhabens des Bauherrn sowie die Besonnung, Belichtung und Belüftung ihres eigenen Grundstücks zum Gegenstand haben, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr zur Geltung verholfen werden, selbst wenn die Einwendungen begründet sein sollten.
Praxishinweis
Der Eilrechtsschutz ist ein Verfahren, um schnell zu handeln und kurzfristig Sachverhalte zu regeln bzw. zu verhindern. Im Fall einer Baugenehmigung kann dies nicht mehr erfolgen, wenn die entsprechende Genehmigung bereits ausgenutzt und das Vorhaben errichtet wurde. Gegen die (bereits durchgeführte) Bebauung kann insofern nicht mehr im Eilrechtsschutz vorgegangen werden. Gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung müsste im Rahmen eines Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens durch die Baugenehmigung in eigenen Rechten verletzter Nachbarn vorgegangen werden.
RA Dr. Bastian Hirsch, Frankfurt a.M.