Auswirkungen des Wohnungseigentums-Modernisierungs-Gesetzes (WeMoG) auf die Verfolgung von Mängelansprüchen gegen den Bauträger

08.06.2021

Seit dem 16.10.2020 gilt das neue Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WeMoG). Die bis dahin geltende Norm § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG wurde ersatzlos und ohne Übergangsvorschrift aufgehoben. Dies wirft unter anderem die Frage auf, ob die Reform Auswirkungen auf die Verfolgung von Mängelrechten durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Bauträger hat, soweit es um die im Gemeinschaftseigentum stehende Bausubstanz geht. Antworten liefert Rechtsanwalt Dr. Olrik Vogel.

A. Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes

§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG  a.F. ist zum Ablauf des 30.11.2020 durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WeMoG) vom 16.10.2020ersatzlos und ohne Übergangsvorschrift aufgehoben worden. Die Norm lautete:

Sie übt die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind.

Stattdessen regelt nunmehr § 9a Abs. 2 WEG  n.F.:

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten wahr.

Nachfolgend soll untersucht werden, ob die Reform Auswirkungen auf die Verfolgung von Mängelrechten durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Bauträger hat, soweit es um die im Gemeinschaftseigentum stehende Bausubstanz (nachfolgend zur Vereinfachung: „Gemeinschaftseigentum“) geht.

 

B. Verfolgung von Mängelrechten

I. Modell der Rechtsprechung

Bereits vor der WEG-Novelle im Jahre 2007 ging die höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, dass die Verfolgung von Mängelansprüchen gegen den Bauträger eine Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung darstelle, die zur Instandhaltung und Instandsetzung (§ 21 Abs. 1 , 3 , 5 Nr. 2 WEG  a.F.) zähle.2 Dies entspräche der heute in § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG  geregelten „ordnungsmäßige[n] Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums“. In der Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1979,3 die damals keinesfalls unumstritten war, hieß es sehr weitgehend aus praktischer Not – um eine effiziente Rechtsverfolgung durch die Erwerber zu ermöglichen und den Bauträger vor der Inanspruchnahme aufgrund einander ausschließender (Primär- und Sekundär-)Ansprüche zu schützen – bereits im Leitsatz: Zur Befugnis der Wohnungseigentümer, durch Mehrheitsbeschluss zu bestimmen, welche Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum geltend gemacht werden sollen.

Richtig (aber auch nicht vollständig) ausdifferenziert und nicht unerheblich erweitert wurde die höchstrichterliche Rechtsprechung unmittelbar vor der WEG-Novelle im Jahre 2007, indes – sehr auffällig – ohne jeden Verweis auf den damals schon beschlossenen § 10 Abs. Satz 3 WEG a.F. In den Leitsätzen4 hieß es:

1. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann durch Mehrheitsbeschluss die Durchsetzung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums an sich ziehen. Macht sie von dieser Möglichkeit Gebrauch, begründet dies ihre alleinige Zuständigkeit. Im Gerichtsverfahren tritt die Wohnungseigentümergemeinschaft als gesetzlicher Prozessstandschafter auf.

2. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann in gewillkürter Prozessstandschaft Ansprüche verfolgen, die in einem engen rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums stehen und an deren Durchsetzung sie ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat. Sie kann von den einzelnen Wohnungseigentümern ermächtigt werden, neben den Ansprüchen wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums Ansprüche wegen Mängeln des Sondereigentums geltend zu machen.

Danach ergab sich folgendes Bild: Den Nacherfüllungsanspruch kann grundsätzlich. jeder Erwerber/Wohnungseigentümer selbst geltend machen, es sei denn, die Ansprüche sind durch Beschluss vergemeinschaftet und Gemeinschaft will eine Mangelbeseitigung vorerst nicht mehr annehmen.5 Die sich ausnahmsweise ergebende Einschränkung des Erwerbers/Wohnungseigentümers in der Ausübung seiner aus dem Bauträgervertrag abgeleiteten Rechte sei diesem Vertrag mit dem Erwerb von Wohneigentum immanent. Der Anspruch des einzelnen Erwerbers/Wohnungseigentümers sei nicht auf die Miteigentumsquote o.Ä. begrenzt.6

Auch wenn es wohnungseigentumsrechtlich kritisch ist, wenn der Einzelne Mängel am Gemeinschaftseigentum ohne Mitwirkung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beseitigt, soll ihm gegen den Bauträger ein Aufwendungsersatzanspruch zustehen.7 Zahlung von Vorschuss könne jeder Erwerber/Wohnungseigentümer vom Bauträger verlangen, aber zum Schutz der übrigen Erwerber und des Bauträgers nur an die Gemeinschaft.8 Minderung oder „kleinen“ Schadensersatz in Höhe der Mangelbeseitigungskosten könne zu behebbaren Mängeln nur die Gemeinschaft geltend machen, wobei der Einzelne ermächtigt werden könne, den Anspruch (zur Zahlung an die Gemeinschaft) geltend zu machen.9 Wegen des Bezugs auf die Instandhaltungs- und Instandsetzungsverpflichtung innerhalb der Gemeinschaft und des Schutzes des Bauträgers könne sich der einzelne Erwerber/Wohnungseigentümer nicht ohne Mitwirkung der Gemeinschaft hinsichtlich Mängeln des Gemeinschaftseigentums vergleichen.10

Die Gemeinschaft kann sich aber wohl – der Bundesgerichtshof 11 hat dies offen lassen können – unter Ausnutzung eines ihr zustehenden weiten Beurteilungsermessens mit dem Bauträger vergleichen, wobei es nicht zuletzt aus Haftungsgründen eines Beschlusses als Akt der internen Willensbildung bedarf.12 Unklar ist, ob dann, wenn sich ein Mangel des Gemeinschaftseigentums nur auf ein Sondereigentum auswirkt, sich der einzelne Erwerber ohne Mitwirkung der Gemeinschaft rechtswirksam vergleichen kann. Dies dürfte nicht der Fall sein, weil der Anspruch auf ordnungsgemäße Erstherstellung innerhalb der Gemeinschaft fortbesteht.13 Die Rechte auf Rückabwicklung durch Schadensersatz statt der Leistung oder durch Rücktritt stünden, so die höchstrichterliche Rechtsprechung, jedem Erwerber/Wohnungseigentümer individuell zu; hierüber könne die Gemeinschaft keine Entscheidung mangels Kompetenz treffen.14

Nicht zu verkennen ist, dass es nach wie vor zahlreiche ungelöste Probleme hinsichtlich der Verfolgung von Mängeln der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bausubstanz gab und gibt: Kann die Gemeinschaft mittelbar den einzelnen Erwerber von der Rückabwicklung abhalten?15 Für welche Ansprüche kann der einzelne Erwerber die Mängelverjährungsfrist durch Einleitung eines Beweisverfahrens hemmen?16  Wie kommt wirksam ein Vergleich über Mängelansprüche zustande, an den alle Erwerber gebunden sind?17

 

II. Wohnungseigentumsrechtliche Einordnung

Nach der WEG-Novelle 2007 versuchte man, diese bauträgervertragsspezifische Rechtsprechung wohnungseigentumsrechtlich einzuordnen.18  Der „kleine“ Schadensersatz sowie die Minderung seien als „geboren“ gemeinschaftsbezogen unter § 10 Abs. 6 Satz 3, 1. Alt. WEG  a.F. zu subsumieren. Dies wurde damit begründet, dass durch das Schadensersatzverlangen und die Minderung der Erfüllungsanspruch nach § 281 Abs. 4 BGB  kraft Gesetzes erlösche und es zum Schutz des Bauträgers, nicht parallel mit primären und sekundären Mängelansprüchen in Anspruch genommen zu werden, erforderlich sei, die Wahl und Ausübung der Gemeinschaft zuzuweisen. Nur „gekoren“ gemeinschaftsbezogen i.S.v. § 10 Abs. 6 Satz 3, Halbs. 2 WEG  a.F. seien die auf Nacherfüllung, Vorschuss und Aufwendungsersatz gerichteten Mängelrechte, so dass sie grundsätzlich jeder Einzelne zunächst selbst geltend machen könne. Nicht gemeinschaftsbezogen seien auf Grund absoluter Unzuständigkeit der Gemeinschaft die auf Rückabwicklung gerichteten Mängelrechte, also Rücktritt oder „großer“ Schadensersatz.

 

Rechtsanwalt Dr. Olrik Vogel


– Ende des Auszugs –

Der vollständige Aufsatz „Auswirkungen des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (…)“ von Rechtsanwalt Dr. Olrik Vogel erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2021, 420 – 428, Heft 3). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.