Auftraglose Architektenleistung – wann kommt der Architektenvertrag zustande?

25.06.2019 – Bei keinem anderen Vertragstyp der Baubranche wird so häufig über das Ob des Vertragsabschlusses gestritten wie beim Architektenvertrag. Das hängt vor allem damit zusammen, dass der Übergang von unentgeltlichen Akquiseleistungen zu vergütungspflichtigen Vertragsleistungen regelmäßig fließend ist und es häufig versäumt wird, den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu identifizieren und zu dokumentieren.

Häufig wird darauf vertraut, dass der (vermeintliche) Auftraggeber auch von einem Vertragsabschluss ausgehe, und davon abgesehen, auf die „Förmelei“ des Vertragsabschlusses zu bestehen. Spätestens jedenfalls wenn die erbrachte Architektenleistung vom Gegenüber verwertet wird, gehen viele Architekten davon aus, dass nun ein Vertragsverhältnis besteht, das natürlich auch Vergütungspflichten auslöst. Dass eine solche aus ergangener Rechtsprechung gezogene Faustregel à la „Verwertung bedeutet Vertrag“ nicht allgemeingültig verlässlich ist, sondern die Frage, ob ein Architektenvertrag zustande gekommen ist, immer einer Einzelfallbeurteilung bedarf, zeigt sich zum Beispiel am Urteil des OLG Brandenburg vom 06.12.2018 – 12 U 24/17. Obwohl der Bauherr dort die vom Architekturbüro erstellten und übergebenen Pläne bis hin zur Baugenehmigung verwertet hatte, ging das Architekturbüro nach zwei Instanzen ohne Honorar aus, weil es nicht beweisen konnte, dass es zu einem (konkludenten) Vertragsabschluss gekommen war. Knackpunkt der dortigen Konstellation war, dass das Architekturbüro zwei Grundstücke beplant hatte, wovon nur eines im Eigentum des in Anspruch genommenen Bauherrn und das andere im Eigentum einer Projektgesellschaft stand, deren Geschäftsführer auch Geschäftsführer des Architekturbüros war. Im Rahmen dieser besonderen Konstellation der Beteiligten ist es dem Architekturbüro nicht gelungen, den Willen des Bauherrn zum Vertragsabschluss zu belegen. Aus Sicht eines objektiven Empfängers mit dem Wissen des Bauherrn sei nicht zwingend von dem Verständnis auszugehen, dass das Architekturbüro für den Bauherrn und nicht für die Objektgesellschaft tätig werden wollte.

Auch wenn die dortige Konstellation der Beteiligten nicht den Standard-Fall abbildet, zeigt er doch auf, dass es für die Frage, ob ein Vergütungspflichten auslösender Architektenvertrag (konkludent) zustande gekommen ist, nicht nur darauf abgestellt werden darf, ob und in welchem Umfang eine Verwertung der Architektenleistung stattgefunden hat, sondern ob im konkreten Einzelfall – nach allgemeinen Vertragsgrundsätzen – ein Vertragsabschluss zwischen Vertragsparteien in Form eines Vertragsangebots und einer Annahme vorliegt.

Rechtsnatur des Architektenvertrags

Während der Vertragstyp des Architektenvertrags vor Inkrafttreten des Neuen Bauvertragsrechts zum 01.01.2018 noch nicht die Ehre einer ausdrücklichen Erwähnung im BGB hatte, sind nun in § 650p BGB „Vertragstypische Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen“ geregelt. Durch die Verweisung in § 650q Abs. 1 BGB auf das Werkvertragsrecht der §§ 631 BGB ff. hat der Gesetzgeber nunmehr auch ausdrücklich die werkvertragliche Einordnung von Architektenverträgen festgehalten.

Einigung über essentialia negotii

Beim Abschluss eines Architektenvertrags gelten die allgemeinen Regeln über das Zustandekommen von Verträgen gemäß §§ 145 ff. BGB. Es bedarf einer Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandteile. Während die essentialia negotii bei den meisten Vertragsarten aus Leistung und Gegenleistung bestehen, weist das Werkvertragsrecht die Besonderheit auf, dass ein Vertrag bereits durch Einigung über die Leistung zustande kommt. Liegt somit eine Beauftragung von Architektenleistungen, jedoch keine (wirksame) Honorarvereinbarung vor, so fehlt es nicht an den essentialia negotii. Diese „Lücke“ wird dann vielmehr gemäß § 7 Abs. 5 HOAI (2013) durch das zwingende Preisrecht der HOAI und die unwiderlegliche Vermutung, dass die jeweiligen Mindestsätze vereinbart wurden, geschlossen.

Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen schon die Beauftragung unklar und streitig ist, ob es sich lediglich um unentgeltliche akquisitorische Vorleistungen des Architekten oder um beauftragte vergütungspflichtige Architektenleistungen handelt. In einem solchen Fall hilft das Preisrecht der HOAI, das stets einen Vertragsabschluss voraussetzt, nicht weiter.

Formfreiheit

Der Architektenvertrag ist eine formfreie Vertragsart. Zwar regelt das zwingende Preisrecht der HOAI, dass bestimmte vertragliche Vereinbarungen im Rahmen eines Architektenvertrags der Schriftform bedürfen. Insbesondere eine Honorarvereinbarung bedarf gemäß § 7 Abs. 1 HOAI (2013) zur Wirksamkeit einer schriftlichen Vereinbarung bei Auftragserteilung im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze. Der Architektenvertrag selbst ist aber nicht schriftformbedürftig, so dass er grundsätzlich schriftlich, mündlich oder konkludent abgeschlossen werden kann. Anderes kann in speziellen Einzelfällen gelten, z.B. wenn die künftigen Vertragsparteien vereinbart haben, dass der Architektenvertrag nur unter Einhaltung der Schriftform wirksam abgeschlossen werden kann. Nach der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB ist der Architektenvertrag dann im Zweifel nicht geschlossen bis die schriftliche Beurkundung erfolgt ist. Formerfordernisse können sich darüber hinaus z.B. ergeben, wenn es um einen Vertragsabschluss mit der öffentlichen Hand geht und es einschlägige Formanforderungen (z.B. der jeweiligen GemO) einzuhalten gilt.

In der Praxis…

Liegt ein von beiden Parteien unterzeichneter Architektenvertrag vor, stellt sich die Frage des Vertragsabschlusses im Regelfall nicht. Bei einer mündlichen Beauftragung stellen sich in der Praxis regelmäßig Beweisprobleme, wenn die mündliche Beauftragung von der Gegenseite bestritten wird. Anspruchsvoll kann der Weg (zum Vergütungsanspruch) sein, wenn weder eine schriftliche noch eine mündliche Beauftragung vorliegen und es einen konkludenten Vertragsabschluss anhand von Indizien darzulegen und zu beweisen gilt. Anhand umfassender Rechtsprechungs-Kasuistik sind dann passende Fälle auszumachen, anhand derer sich argumentieren und darlegen lässt, dass und aufgrund welcher Indizien im konkreten Einzelfall bei den Parteien jeweils ein auf Abschluss eines Architektenvertrag gerichteter Rechtsbindungswillen vorlag.

Ein solches Indiz für einen auf Abschluss eines entgeltlichen Architektenvertrags gerichteten Rechtsbindungswillen kann z.B. die Aufforderung an den Architekten sein, Architektenleistungen zu erbringen und abzuändern (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.06.2011 – 21 U 129/10). Des Weiteren die Erbringung und Entgegennahme von Architektenleistungen aus einer fortgeschrittenen Leistungsphase (z.B. BGH, Urteil v. 11.10.2007 – VII ZR 143/06), das Begleichen von Abschlagsrechnungen für erbrachte Architektenleistungen (z.B. BGH, Urteil v. 06.05.1985 – VII ZR 320/84) oder die Verwertung der Architektenleistung z.B. durch Einreichen der Planunterlagen bei der Genehmigungsbehörde (KG, Urteil v. 28.12.2010 – 21 U 97/09) etc.. Die Betonung liegt stets darauf, dass der jeweilige Umstand im konkreten Einzelfall ein Indiz für einen Vertragsabschluss sein kann, nicht muss.

Neben dem Ob der Beauftragung ist bei einem konkludenten Vertragsabschluss häufig der Leistungsumfang Gegenstand streitiger Auseinandersetzungen. Anders als früher steht die Rechtsprechung heute nicht mehr auf dem Standpunkt, dass ein Architekt im Zweifel mit einer Vollarchitektur beauftragt wird. Auch für die Frage, welche Leistungen und welche Leistungsphasen beauftragt wurden, ist immer im Wege einer konkreten Einzelfallbeurteilung aufzuklären, wie weit die Beauftragung im jeweiligen Einzelfall ging.

Resümee

Sich ohne vertragliche Dokumentation darauf zu verlassen, dass eine Beauftragung mit zu vergütenden Architektenleistungen besteht, kann sich bei späteren Streitigkeiten als riskantes Unterfangen entpuppen. Trotz oder gerade aufgrund der umfangreichen Rechtsprechung zu konkludenten Architektenbeauftragungen sollten nicht vorschnell – etwa anhand von Leitsätzen aus veröffentlichten Urteilen – Rückschlüsse auf den eigenen Sachverhalt gezogen werden. Ein entgeltlicher Architektenvertrag im geltend gemachten Umfang liegt immer (nur) dann vor, wenn im konkreten Einzelfall darauf gerichtete Rechtsbindungswillen beider Parteien auszumachen sind. Macht der Architekt einen Vergütungsanspruch geltend, liegt die Beweislast für den Vertragsabschluss vollumfänglich bei ihm. Die dafür erforderliche Energie wird in jedem Fall besser und sicherer investiert sein, wenn der Architekt den Auftraggeber zur Verschriftlichung des Architektenvertrags bewegt, sobald aus Sicht des Architekten die Akquisephase abgeschlossen ist.

Rechtsanwältin Natalie Hahn, Karlsruhe
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
DEUBNER & KIRCHBERG Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
Erzbergerstr. 113a, 76133 Karlsruhe
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