1. Bei ordnungsgemäßer Ausführung nachträglicher Injektionen zur Abdichtung der Kellerräume ist in der Regel nicht mit Schäden an der Nachbarbebauung zu rechnen.
2. Kellerabdichtungsarbeiten in Form einer HDI-Suspension im Injektionsverfahren werden nicht fachgerecht ausgeführt, wenn das Suspensionsmaterial weit auf das Grundstück des Nachbarn gelangt. Der Abdichtungsunternehmer hat hinreichende Maßnahmen zu ergreifen, um das Eindringen der Masse auf das Nachbargrundstück zu verhindern.
3. Es ist Sache des Abdichtungsunternehmers, im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast konkrete Ausführungen zu den von ihm durchgeführten Arbeiten zu machen und vorzutragen, wie die Arbeiten im Einzelnen abgelaufen sind.
OLG Köln, Urteil vom 10.11.2021 – 11 U 36/19
BGB §§ 31, 823 Abs. 1, § 831
Problem/Sachverhalt
E ist Eigentümer einer Doppelhaushälfte. Unternehmer U dichtete im Auftrag des Eigentümers der anderen Doppelhaushälfte deren Keller mittels Zementsuspension im Injektionsverfahren ab. E macht Schadensersatz gegen U geltend, da bei den Arbeiten Zementsuspension auf sein Grundstück gelangt und dadurch die Drainage und hierüber die Hebeanlage beschädigt worden seien. Der Gerichtssachverständige stellt fest, dass die Drainage fehlerhaft entwässert, neben Drainrohren die Hebeanlage durch die Zementsuspension unbrauchbar und mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% auch die bislang nicht untersuchten Drainagerohre, die zur Hebeanlage führten, beschädigt wurden. Eine Laboruntersuchung hatte eine Übereinstimmung des Injektionsmaterials für den Keller und das vorgefundene Material in der untersuchten Leitung und der Hebeanlage ergeben.
Entscheidung
Die Klage hat Erfolg! Der Haftungsgrund liegt in der schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, die bei Injektionen zur Abdichtung eines Kellers mit Zementinjektion zur Sicherung des Nachbargrundstücks zu beachten ist. Die Menge der in Drainage und Hebeanlage gefundenen Zementsuspension lasse den Rückschluss zu, dass U die Situation und die Leitungsverläufe auf dem Grundstück des E nicht ausreichend untersucht und keine Schutzmaßnahmen zur Absicherung getroffen habe. Diese konkreten Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung habe U nicht entkräftet, obgleich ihm dies aufgrund der bestehenden sekundären Darlegungslast oblegen hätte. Der Höhe nach war für die Hebeanlage und die untersuchten Leitungen der Schaden zu tragen, für die aus Gesichtspunkten der Unverhältnismäßigkeit heraus nicht untersuchten weiteren Drainleitungen zur Hebeanlage hin ergebe sich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Beschädigung durch die Suspension (§ 287 ZPO). Die fehlerhafte Entwässerung der Drainageleitung führe zu einem Mitverschulden des E, da der Zementfluss dadurch begünstigt worden sei (§ 254 BGB).
Praxishinweis
E hat hier richtigerweise das Abdichtungsunternehmen in Anspruch genommen. Dieses haftet für Schäden, die durch eine pflichtwidrige und schuldhafte Eigentumsverletzung entstehen, auch wenn der Nachbar den Auftrag zur Kellerabdichtung erteilt hat. Die nachbarrechtlichen Regelungen gestatten zwar auch eine Inanspruchnahme des Nachbarn, Ansprüche gegen den Unternehmer berührt dies jedoch nicht. Die Fragen der Beweislastverteilung hat das OLG Köln in dieser Entscheidung sowohl für die Frage des Nachweises der Pflichtverletzung – sekundäre Beweislast – als auch des Nachweises für den Schadenseintritt und dessen Umfang – hinreichende überwiegende Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) – kurz und deutlich beantwortet. Die Folge für die Haftung trotz mangelbehafteten Baubestands (fehlerhafte Entwässerung) wird umstandslos als Mitverschulden bewertet.
Dr. Petra Sterner
RAin und FAin für Bau- und Architektenrecht LL.M., Berlin