OLG Frankfurt, Urteil vom 26.09.2022 – 29 U 197/21 BGB § 204 Abs. 1 Nr. 6; ZPO § 73
Der Auftraggeber als Streitverkünder kann in der Streitverkündungsschrift zur näheren Bezeichnung des Verfahrensstandes und zur Kennzeichnung der Mängel, derentwegen er sich einen Regress beim Auftragnehmer sichern will, auf Anlagen konkret Bezug nehmen. Die Streitverkündung ist wirksam und zur Verjährungshemmung geeignet, wenn der Schriftsatz mit Anlagen den Streitverkündungsempfänger in beiderlei Hinsicht ausreichend unterrichtet.)
OLG Frankfurt, Urteil vom 26.09.2022 – 29 U 197/21
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 6; ZPO § 73
Problem/Sachverhalt
Ein Bauträger nimmt den als Nachunternehmer beauftragten Dachdecker auf einen Vorschuss von 146.124 Euro wegen behaupteter Mängel beim Einbau und der Abdichtung von Dachfenstern in Anspruch. Der Dachdecker beruft sich auf Verjährung. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte gegen den Bauträger wegen zahlreicher behaupteter Mängel ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet, in dem der Bauträger noch innerhalb der Gewährleistungsfrist dem Dachdecker den Streit verkündet hatte. Der Streitverkündungsschriftsatz, der das volle Rubrum trug, nahm Bezug auf die Nummerierung der den Dachdecker betreffenden Mängel im Beweisbeschluss und teilte zum Stand des Verfahrens mit, dass ein erster Ortstermin des Sachverständigen stattgefunden habe und in den nächsten Wochen bzw. Monaten mit einer weiteren Terminierung zu rechnen sei. Grund der Streitverkündung sei, dass der jetzige Beklagte aufgrund des Nachunternehmervertrags am Objekt Dachdecker- und Klempnerarbeiten durchgeführt habe und er für die genannten Mängel zuständig und rechtlich verantwortlich sei. Der Streitverkündungsschrift waren die bisherigen Schriftsätze, Beschlüsse und Schreiben des Sachverständigen beigefügt. Das Landgericht hat die Klage unter Bezugnahme auf das Urteil des OLG Frankfurt vom 22.01.2021 (29 U 166/21, IBR 2021, 222) wegen Verjährung abgewiesen. Die Streitverkündung habe die Verjährung nicht gehemmt. Der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits ergäben sich mit hinreichender Deutlichkeit erst aus den Anlagen. Das genüge nicht.
Entscheidung
Die Berufung des Bauträgers hat Erfolg. Das OLG Frankfurt hebt das Urteil auf und verweist die Sache an das Landgericht zurück. Es spricht schon viel dafür, dass die verjährungshemmende Wirkung der Streitverkündung nicht von den Angaben zur Lage des Rechtsstreits in der Streitverkündungsschrift abhängt. Jedenfalls hat sich der Kläger aber nicht auf die Bezugnahme auf die Akte beschränkt, sondern den Stand des Verfahrens im Schriftsatz zusammengefasst. Auch zum Grund der Streitverkündung ist die Streitverkündungsschrift nicht zu beanstande. Anders als in dem seinerzeitigen Verfahren sind die Mängel durch die konkrete Bezugnahme auf den beigefügten Beweisbeschluss ausreichend und klar bezeichnet worden.
Praxishinweis
Die seinerzeitige Entscheidung des 29. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 22.01.2021 hat viel Aufmerksamkeit erfahren, da in der Praxis zahlreiche Streitverkündungen den dort gestellten Anforderungen nicht nachkommen. Das OLG Frankfurt stellt jetzt in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung klar, dass nicht jede Bezugnahme auf Anlagen unzulässig ist. Die Bezugnahme reicht vielmehr aus, wenn der wesentliche Inhalt im Schriftsatz zusammengefasst ist, wie es hier hinsichtlich des Verfahrensstands der Fall war, oder die Bezugnahme so konkret ist, dass die erforderlichen Informationen aus den beigefügten Anlagen ohne weiteres auffindbar und erkennbar sind. Dem war durch die Bezifferung der Mängel gem. Beweisbeschluss Genüge getan. Auf die Zweifel des OLG Frankfurt daran, dass die in § 73 ZPO vorgeschriebenen Angaben zum Stand des Verfahrens Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Streitverkündung sind, sollte sich der sorgfältige Anwalt indes nicht verlassen. Rechtsprechung des BGH hierzu gibt es noch nicht. Auch ist stets darauf zu achten, dass die Streitverkündungsschrift das volle Rubrum trägt. Mängel der Streitverkündungsschrift, die der Verjährungshemmung entgegenstehen, werden auch durch den Beitritt des Streitverkündeten nicht geheilt.
VorsRiOLG Thomas Manteufel, Köln