BGH, Beschluss vom 10.08.2022 – VII ZR 243/19 BGB §§ 280, 421, 426, 633, 634 Nr. 4; GG Art. 103 Abs. 1
1. Haften Architekt und Bauunternehmer für einen Mangel dem Besteller als Gesamtschuldner und hat der Bauunternehmer diesen Mangel im Wege der Nacherfüllung beseitigt, hat er gegen den Architekten einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich.
2. Sind dem Bauunternehmer im Rahmen der Mängelbeseitigung Kosten durch von ihm beauftragte Drittunternehmer entstanden, kann er diese Kosten – soweit sie objektiv erforderlich waren – anteilig geltend machen. Hinsichtlich der von ihm selbst durchgeführten erforderlichen Arbeiten kann er einen Wertausgleich verlangen.
3. Zu den Substanziierungsanforderungen an den Vortrag zur Höhe des Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich.
BGH, Beschluss vom 10.08.2022 – VII ZR 243/19
BGB §§ 280, 421, 426, 633, 634 Nr. 4; GG Art. 103 Abs. 1
Problem/Sachverhalt
Ein Bauunternehmer (B) verklagt den ebenfalls am Bauvorhaben beteiligten Architekten (A) auf Gesamtschuldnerausgleich für eine von ihm geleistete Mängelbeseitigung. Die Dacheindeckung entsprach nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik. An den Balkondächern zeigten sich Undichtigkeiten und es trat Wasser ein. Grundlage der Ausführung war ein von B erstellter Sondervorschlag, den A geprüft und freigegeben hatte. Auf der Grundlage eines Privatgutachtens sanierte B die Balkondächer. Nunmehr verlangt er von A 70% der Gesamtsanierungskosten i.H.v. ca. 210.000 Euro. Landgericht und OLG wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass B zur Höhe des Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich nicht schlüssig vorgetragen habe.
Entscheidung
Der BGH gibt dem Antrag auf Zulassung der Revision statt, hebt die angefochtenen Entscheidungen auf und verweist den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück. Das Berufungsgericht hat „offenkundig“ (!) die Substanziierungsanforderungen an B überspannt. Der Bauunternehmer hat gegen den Architekten einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich, wenn er den Mangel, für den er und der Architekt als Gesamtschuldner haften, selbst beseitigt. Sind dem Bauunternehmer im Rahmen der Mängelbeseitigung Kosten durch von ihm beauftragte Drittunternehmer entstanden, kann er diese Kosten, soweit sie objektiv erforderlich waren, anteilig geltend machen. Hinsichtlich der von ihm selbst durchgeführten erforderlichen Arbeiten kann er einen Wertausgleich verlangen (vgl. BGH, BGHZ 43, 227). Auf einen entsprechenden Hinweis des OLG hatte B eine geordnete Aufstellung vorgelegt, aus der sich die einzelnen Arbeiten zur Mängelbeseitigung und die hierfür jeweils geltend gemachten Kosten detailliert ergeben. Die Leistungen der beauftragten Drittunternehmer hatte B durch Rechnungen belegt und für die selbst durchgeführten Arbeiten die Anzahl der aufgewendeten Stunden sowie entsprechende Stundensätze benannt. Diese Darlegungen des B sind nach Auffassung des BGH hinreichend substanziiert.
Praxishinweis
B hat die von ihm erbrachte Mängelbeseitigung nicht davon abhängig gemacht, dass sein Auftraggeber zuvor aus §§ 254 Abs. 2, 278 BGB einen Beitrag zu den Kosten der Mängelbeseitigung leistete. Tatsächlich lag kein Planungsfehler des A vor. Die fehlerhafte Prüfung des Sondervorschlags des B durch A begründet kein Mitverschulden des Bauherrn. Der Bauherr schuldet dem Unternehmer nicht die fehlerfreie Überprüfung der Unternehmerplanung im Sinne einer vertraglich begründeten Obliegenheit (BGH, NJW 1982, 1702; OLG Hamm, IBR 2013, 412; zustimmend Fuchs, IBR 2013, 661; a. A. Hammacher, BauR 2013, 1592 bis 1596). Dieser Grundsatz ist insbesondere bei der Überprüfung von Werkstattplanungen des Auftragnehmers durch den Architekten von Bedeutung. Auch insofern hat der Unternehmer „keinen Anspruch auf ein Kindermädchen“.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Verwaltungsrecht Prof. Dr. Mathias Preussner, Konstanz