Wer mit Kontaminationen rechnen muss, erhält keine Mehrvergütung!

22.10.2020 – OLG Naumburg, Urteil vom 18.07.2019 – 8 U 21/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen) VOB/B § 2 Abs. 3 Nr. 2

1. Der Auftragnehmer darf nicht von einem unbelasteten Baugrund ausgehen, wenn aus dem der Ausschreibung beigefügten Baugrundgutachten hervorgeht, dass mit Kontaminationen gerechnet werden muss.

2. Berechtigen Verzögerungen aufgrund von Überprüfungen des Aushubs auf Kontaminationen nach den Ausschreibungsunterlagen nicht zur Geltendmachung von Mehrkosten, kann der Auftragnehmer für die Ausfallzeiten des von ihm eingesetzten Baggers keine Mehrvergütung oder Entschädigung verlangen, wenn der Aushub auf Schadstoffe untersucht werden muss.

OLG Naumburg, Urteil vom 18.07.2019 – 8 U 21/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)

VOB/B § 2 Abs. 3 Nr. 2

Problem/Sachverhalt

Ein Unternehmer verlangt vom beklagten Land die Anpassung von Einheitspreisen aus einem Bauvertrag. Diesem lag eine geotechnische Baugrundbeurteilung zu Grunde, die zwar Bodenklassen, aber keine Kontaminationen benannte. Im Leistungsverzeichnis war vereinbart, den Aushub auf Kontaminationen zu überprüfen und in Haufen zu separieren. Diese Tätigkeiten und die damit einhergehenden Verzögerungen waren in die Einheitspreise einzukalkulieren. Der Unternehmer nahm an, dass er erhebliche Teile des Aushubs bei anderen Baustellen einbauen konnte, und kalkulierte dafür Rückvergütungen in seine Preise ein. Als sich zeigte, dass der Aushub durchgehend belastet war und daher nicht an anderer Stelle wieder eingebaut werden konnte, unterbreitete er ein Nachtragsangebot, u. a. über „entfallene Rückvergütung“ und zusätzliche „Standzeiten Bagger“.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das OLG Naumburg legt den Vertrag entsprechend der vom BGH (IBR 2012, 65) vorgegebenen Linie aus: Sind Kontaminationen nicht ausdrücklich beschrieben, kommt es auch auf die Begleitumstände an. Hier war der Leistungsbeschreibung zu entnehmen, dass der Aushub auf Kontaminationen zu untersuchen und zu separieren war. Damit stellt sich die Leistungspflicht im Ergebnis so dar, dass insgesamt ein noch nicht untersuchter Boden entfernt werden sollte. Der Auftragnehmer durfte mithin nicht von einem (komplett) schadstofffreien Boden ausgehen.

Praxishinweis

Die Entscheidung liegt auf der Linie des BGH (IBR 2012, 65), weiterer obergerichtlicher Rechtsprechung (zuletzt: OLG Frankfurt, IBR 2019, 602; OLG Naumburg, IBR 2020, 115, und OLG Nürnberg, IBR 2020, 279) und ist nicht überraschend. Nach wie vor nicht höchstrichterlich entschieden ist indes die Frage, welche Bodenbeschaffenheit Leistungsinhalt und damit Kalkulationsgrundlage wird, wenn sich aus dem Vertrag und seinen Anlagen/Bestandteilen schlicht überhaupt nichts ergibt. Kann der Auftragnehmer dann einen „idealen“ Baugrund annehmen, entsprechend kalkulieren und bei Enttäuschung dieser Erwartung eine Anpassung der Vergütung erwarten? Die Beantwortung dieser Frage beträfe den Kern des „Baugrundrisikos“ und böte die Chance zu umfangreichen Klarstellungen im Sinne der vorerwähnten Urteile. Es bleibt also spannend im Tiefbaurecht.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Markus Vogelheim, Köln