Wer eine Entschädigung nach § 642 BGB verlangt, muss das ganz große Orchester aufspielen lassen!

  1. Macht der Auftraggeber wegen eines gestörten Bauablaufs eine Entschädigung gem. § 642 BGB geltend, hat er u. a. eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung unter Berücksichtigung von Ausgleichsmaßnahmen vorzulegen.
  2. Darzulegen ist vom Auftragnehmer dabei, wie er den Bauablauf tatsächlich geplant hatte, d. h. welche Teilleistungen er in welcher Zeit erstellen wollte und wie der Arbeitskräfteeinsatz erfolgen sollte. Dem ist der tatsächliche Bauablauf gegenüberzustellen.
  3. Darzulegen sind auch etwaige Möglichkeiten, andere Bauabschnitte vorzuziehen oder Arbeitskräfte anderweitig einzusetzen.

 

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) verfolgt gegenüber dem Auftraggeber (AG) wegen einer Bauzeitverzögerung einen Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB. Das Landgericht spricht dem AN diesen Anspruch für das vom AN während der Dauer eines Annahmeverzugs vergeblich vorgehaltene Personal nebst AGK-Zuschlag auf der Grundlage einer Schätzung teilweise zu. Im Übrigen wird ein Annahmeverzug verneint und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des AN.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das OLG Celle hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach zur schlüssigen Darlegung eines Anspruchs aus § 642 BGB u. a. eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung erforderlich ist. Darzulegen ist vom AN dabei, wie er den Bauablauf tatsächlich geplant hatte, d. h. welche Teilleistungen er in welcher Zeit erstellen wollte, und wie der Arbeitskräfteeinsatz erfolgen sollte; dem ist der tatsächliche Bauablauf gegenüberzustellen. Sodann sind die einzelnen Behinderungstatbestände aufzuführen und deren tatsächliche Auswirkungen auf den Bauablauf zu erläutern. Darzulegen sind auch etwaige Möglichkeiten, andere Bauabschnitte vorzuziehen oder Arbeitskräfte anderweitig einzusetzen. Da der Vortrag des AN diesen Anforderungen nicht genügt, ist die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen.

Praxishinweis

Die Aussage, wonach es für einen Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB generell einer bauablaufbezogenen Darstellung nach Maßgabe der Vorgaben in den drei Leitsätzen bedarf, erscheint zweifelhaft. Denn in dieser Weite wird die Latte der Anforderungen für die schlüssige Darlegung eines Entschädigungsanspruchs aus § 642 BGB direkt unter die Decke gehängt, so dass ein Überspringen praktisch ausgeschlossen ist. Maßgeblich ist der Einzelfall: Der AN hat einerseits zu jeder Störung/Behinderung aus dem Risikobereich des AG und bestehendem Annahmeverzug sowie andererseits zu dem während der Dauer des Annahmeverzugs vergeblich vorgehaltenen Personal (mit einer Excel-Liste, die Tage/Stunden/Namen der Arbeitskräfte ausweist, die nicht – anderweitig – gearbeitet haben) vorzutragen. Geht es um die Frage, ob ein anderweitiger Einsatz dieser nicht arbeitenden Arbeitskräfte auf dieser Baustelle oder anderen Baustellen des AN bzw. eine Umstellung des gesamten Arbeitsablaufs möglich gewesen ist, kommt es auf den Vortrag des AG und den Grad der Wahrscheinlichkeit des Zutreffens an. Denn: Steht beispielsweise eine Baustelle wegen eines Bombenfundes für eineinhalb Tage still, ist offensichtlich, dass für diesen Zeitraum kein anderweitiger Einsatz der Arbeitskräfte bzw. eine Umstellung des Bauablaufs möglich gewesen ist. Warum sollte der AN in diesem Fall, um einen Anspruch aus § 642 BGB schlüssig darzulegen, eine bauablaufbezogene Darstellung der Gesamtbaumaßnahme vorlegen müssen.

RA Dr. Bernhard von Kiedrowski, Berlin