2. Der Anspruch auf Erhöhung des Architektenhonorars wegen Änderungswünschen des Bauherrn setzt keine schriftliche Honorarvereinbarung voraus.
OLG München, Beschluss vom 31.01.2017 – 27 U 3253/16 Bau; BGH, Beschluss vom 22.05.2019 – VII ZR 25/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
HOAI 2009 § 7 Abs. 5
Problem/Sachverhalt
Auf der Grundlage einer von einem ausführenden Unternehmen selbst erstellten Kostenschätzung i.H.v. 4.998.481 Euro erhält der Architekt im zeitlichen Anwendungsbereich der HOAI 2009 den Auftrag über Architektenleistungen der Leistungsphasen 7 bis 9 zu einem Pauschalpreis von 145.000 Euro. Abweichend vom vereinbarten Honorar macht der Architekt mit der Klage ein Mindestsatzhonorar nach der HOAI 2009 i.H.v. 191.411 Euro netto geltend, das er auf der Grundlage der tatsächlichen Baukosten i.H.v. 7.005.905 Euro ermittelt. Das Landgericht verurteilt den Bauherrn auf den eingeklagten Teilbetrag von 100.000 Euro, wobei der Bauherr die anrechenbaren Kosten nicht bestreitet, sondern sich nur auf die Pauschalpreisvereinbarung beruft. In der Berufung rügt er erstmals, dass für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten ausschließlich die Kostenberechnung maßgeblich sei.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Das in zweiter Instanz neue Vorbringen des Bauherrn zur behauptet fehlerhaften Mindestsatzberechnung auf der Grundlage der tatsächlichen Baukosten sei als neues Verteidigungsvorbringen als verspätet zurückzuweisen. Die vom Architekten geltend gemachte Mindestsatzunterschreitung habe zwar nicht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, jedenfalls aber mit Feststellung der höheren tatsächlichen Baukosten vorgelegen. Wenn auch nicht jegliche Baukostensteigerung zur Unwirksamkeit einer Pauschalhonorarvereinbarung führen könne, so jedoch eine gravierende oder insbesondere auch auf Änderungswünschen des Auftraggebers basierende Baukostenerhöhung. Eine noch hinzukommende Besonderheit des Falls liege darin, dass eine Kostenschätzung bzw. Kostenberechnung nicht vom Architekten, sondern vom Ausführenden erbracht worden sei. Entweder beruhten die Kostensteigerungen von ca. 2 Mio. Euro auf Änderungswünschen des Bauherrn und/oder auf der von einem (im Lager des Bauherrn stehenden) Dritten fehlerhaft vorgenommenen „Kostenschätzung“, an der sich jedenfalls der Architekt für eine Betrachtung der Mindestsatzunterschreitung nicht festhalten lassen müsse. Der Anspruch auf Anpassung der anrechenbaren Kosten gem. § 7 Abs. 5 HOAI 2009 bedürfe auch keiner schriftlichen Vereinbarung.
Praxishinweis
Dass die Schriftform keine Voraussetzung für die Anpassung der anrechenbaren Kosten nach § 7 Abs. 5 HOAI 2009 ist (so auch schon OLG Koblenz, IBR 2016, 586), gilt auch für § 10 Abs. 1 und 2 HOAI 2013. Dabei verschieben beide Vorschriften lediglich den (seit EuGH, IBR 2019, 436, nicht mehr) verbindlichen Preisrahmen des § 7 Abs. 1 beider Fassungen. Die Ist-Baukosten nach der Kostenfeststellung sind insoweit allerdings nicht relevant, da dann auch Marktpreissteigerungen honorarwirksam würden, was der Verordnungsgeber seit der HOAI 2009 durch Einführung des Kostenberechnungsmodells ausdrücklich ausschließen wollte. Vielmehr hätte der Architekt die Kostenberechnung unter Berücksichtigung der Änderungswünsche des Bauherrn nach damaligem Preisstand fortschreiben müssen (Fuchs, in: FBS, § 10 HOAI Rz. 52). Richtig ist demgegenüber, dass der Architekt nicht an eine falsche Kostenberechnung gebunden ist, gleich, ob sie von einem Dritten oder ihm selbst erstellt wurde.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Prof. Dr. Heiko Fuchs, Mönchengladbach