1. Der Auftragnehmer kann die Mängelbeseitigung verweigern, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Unverhältnismäßigkeit ist anzunehmen, wenn der damit in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwands steht.
2. Bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit ist auch das Verschulden des Auftragnehmers zu berücksichtigen.
OLG Celle, Urteil vom 05.03.2020 – 6 U 48/19; BGH, Beschluss vom 04.08.2021 – VII ZR 42/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
BGB §§ 320, 635 Abs. 3
Problem/Sachverhalt
Der Auftragnehmer (AN) erhielt vom Auftraggeber (AG) den Auftrag, ein Hallendach neu mit Paneelen auf der alten Unterkonstruktion zu decken. Auf der neuen Dachfläche errichtete ein Drittunternehmen eine Photovoltaikanlage. Der AG rügte Undichtigkeiten und ließ das Dach von einem Sachverständigen prüfen. Dieser stellte fest, dass das Hallendach bereits deshalb nicht für die gewöhnliche Verwendung geeignet war, da es auf der bauseits vorhandenen, aber nicht planebenen und nicht verwitterungsfreien Unterkonstruktion errichtet wurde, was zum Heben und Senken der ISO-Paneele mit Kondenswasserbildung und anschließendem Herabtropfen einherging. Der AN hat insoweit keinen Bedenkenhinweis erteilt. Als der AN seinen Vergütungsanspruch einklagte, erhob der AG hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten, die aus dem Rückbau der Photovoltaikanlage und der Dachpaneele sowie deren erneutem Aufbau resultieren, Widerklage. Hilfsweise beantragte er, die Vergütung lediglich Zug um Zug gegen die Mängelbeseitigung leisten zu müssen. Das Landgericht verurteilte den AG zur Zahlung der Vergütung Zug um Zug gegen die Demontage der Paneele, die wiederum nur Zug um Zug gegen Abbau der Photovoltaikanlage und Zahlung eines Zuschusses i.H.v. 70.000 Euro durch den AG zur Herstellung einer planebenen und verbindungsfreien Dachunterkonstruktion zu erfolgen hatte. Die Widerklage auf Vorschuss bezüglich der Mängelbeseitigungskosten wurde abgewiesen, da eine wirksame Fristsetzung zur Nacherfüllung fehlte. Hiergegen wandte der AN sich mit seiner Berufung, da die Kosten der Nacherfüllung seiner Auffassung nach unverhältnismäßig waren.
Entscheidung
Mit Erfolg! Das OLG Celle verneint eine Mangelhaftigkeit aufgrund der Verwendung der vorhandenen Unterkonstruktion ohne entsprechenden Hinweis. Da die Photovoltaikanlage kurzfristig auf dem Dach errichtet werden musste, um noch die volle Einspeisevergütung zu erhalten, musste der AN nicht davon ausgehen, dass der AG das durch die Verwendung der vorhandenen Unterkonstruktion begünstigte Entstehen von Kondensat um jeden Preis vermeiden wollte. Denn eine neue Unterkonstruktion hätte so kurzfristig nicht erstellt werden können. Aber auch dann, wenn man einen Mangel angenommen hätte, hätte der AN die Mängelbeseitigung wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigern dürfen (§ 635 Abs. 3 BGB). Der mit der Mängelbeseitigung verbundene Aufwand stand vorliegend außer Verhältnis zum dadurch für den AG zu erreichenden Erfolg, der nur darin bestand, dass gelegentlich auftretende Kondensat-Tropfen und ein damit verbundener erhöhter Wartungsaufwand hätten vermieden werden können. Hinzu kam, dass auch ein Verschulden des AN gering gewesen wäre, da eine Pflichtverletzung lediglich in der unterbliebenen Bedenkenanmeldung gelegen hätte.
Praxishinweis
Die berechtigte Verweigerung der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten hat zur Folge, dass der Auftraggeber nur noch Schadensersatz oder Minderung verlangen kann.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Jürgen Ripke, Hannover