Vertragsstrafe trotz Rücktritts!

Tritt ein Besteller aufgrund eines ihm in einem Bauträgervertrag vertraglich eingeräumten Rücktrittsrechts wegen nicht termingerechter Fertigstellung eines abnahmereifen Bauwerks vom Vertrag zurück, erlischt hierdurch nicht der Anspruch auf Zahlung einer vereinbarten und bereits verwirkten Vertragsstrafe wegen des Verzugs des Unternehmers mit der Fertigstellung, sofern die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben.

BGH, Urteil vom 22.05.2025 - VII ZR 129/24 

BGB § 339 Satz 1, § 341 Abs. 1, § 346 Abs. 1, § 347 Abs. 1 Satz 1, § 650u Abs. 1 Satz 1

 

Problem/Sachverhalt 

Der BGH hatte darüber zu entscheiden, welche Auswirkungen ein Rücktritt des Auftraggebers (AG) vom Bauträgervertrag auf eine bereits wegen verzögerter Fertigstellung verwirkte Vertragsstrafe hat. Die Parteien schließen einen Bauträgervertrag über ein Fabrikgelände, das zu einem Wohnhaus mit 27 Wohnungen umgebaut werden soll, zu einem Gesamtpreis von 7,3 Mio. Euro.

Vertraglich vereinbart sind eine Vertragsstrafe von 1.276,57 Euro je Werktag, maximal 5% des Kaufpreises, sowie ein Rücktrittsrecht der Parteien, sofern die Kaufpreisfälligkeit nicht bis zu einem bestimmten Datum eingetreten ist. Für die Kaufpreisfälligkeit soll u.a. die Abnahme oder die Abnahmefähigkeit der Bauleistungen erforderlich sein. Da das Bauvorhaben nicht abnahmefähig erstellt wird, tritt der AG aufgrund des vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts vom Vertrag zurück.

Zu diesem Zeitpunkt ist auch die Vertragsstrafe in voller Höhe, nämlich 365.000 Euro, bereits verwirkt. Der Auftragnehmer (AN) wendet sich gegen die vom AG verlangte Vertragsstrafe mit der Begründung, diese sei wegen des erklärten Rücktritts erloschen.

 

Entscheidung 

Die Rechtsverteidigung des AN bleibt ohne Erfolg! Der AG obsiegt mit seiner auf Zahlung der Vertragsstrafe gerichteten Klage in allen Instanzen. Der BGH bestätigt in letzter Instanz die Auffassung der Vorinstanzen, dass der Anspruch auf eine bereits verwirkte Vertragsstrafe grundsätzlich nicht mit dem Rücktritt vom Vertrag erlischt.

Der Rücktritt wandelt das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis, wodurch die Hauptleistungspflichten der Parteien entfallen. Der Rücktritt führt allerdings nicht ohne Weiteres dazu, dass auch sämtliche Nebenleistungspflichten, hier die Vertragsstrafe, entfallen. Sinn und Zweck der Vertragsstrafe ist es Druck auf den AN auszuüben (Druckfunktion) und dem AG ohne Nachweis eines konkreten Schadens einen Zahlungsanspruch zuzubilligen (Ausgleichsfunktion).

Diese Funktionen der Vertragsstrafe sprechen gegen deren Erlöschen, da der AN andernfalls einen Rücktritt des AG vom Vertrag mit dem Ziel, die Vertragsstrafe entfallen zu lassen, provozieren könnte. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe durch den AG, der selbst vom Vertrag zurückgetreten ist, ist schließlich auch nicht rechtsmissbräuchlich und stellt auch keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar.

 

Praxishinweis 

Das Schicksaal einer vereinbarten Vertragsstrafe im Fall der (vorzeitigen) Beendigung des Vertrags kann immer wieder Gegenstand von Streitigkeiten sein. Der BGH hat nunmehr klargestellt, dass der Rücktritt des AG bei bereits verwirkter Vertragsstrafe keine Auswirkungen auf diese hat. Nichts anderes sollte grundsätzlich auch für andere Beendigungstatbestände, wie insbesondere die Kündigung, gelten.

Anders kann die Bewertung allerdings im Fall eines Aufhebungsvertrags sein. Hier ist stets durch Auslegung des Aufhebungsvertrags zu ermitteln, ob die verwirkte Vertragsstrafe fortbestehen oder erlöschen soll. Liegt hingegen kein Aufhebungstatbestand, sondern ein Tatbestand vor, der zur anfänglichen Unwirksamkeit des Vertrags führt, wie z.B. Formnichtigkeit, Sittenwidrigkeit oder Anfechtung, ist die Vertragsstrafenvereinbarung ebenfalls unwirksam und es besteht kein Anspruch auf Zahlung.

Dasselbe gilt, wenn der Bauvertrag zu einem Zeitpunkt beendet wird, zudem die Vertragsstrafe noch nicht verwirkt ist. Grundsätzlich ist den Parteien anzuraten, bereits im Bauvertrag mit der Vereinbarung der Vertragsstrafe auch Regelungen zu deren Schicksal bei vorzeitiger Vertragsbeendigung zu treffen. Schließen die Parteien einen Aufhebungsvertrag sollten sie in jedem Fall in diesen auch Regelungen hinsichtlich des Schicksals der Vertragsstrafe aufnehmen.

 

RiOLG Marc Plücker, Köln