Risse wegen Planungs- und Ausführungsfehlern: Zur Haftung in Fällen der Doppelkausalität

1. Wird ein Mangel an einem Werk durch einen Planungsfehler des vom Auftraggeber beauftragten Planers (hier: Statikers) und unabhängig davon durch einen Ausführungsfehler des Bauunternehmers verursacht, wobei beide Fehler für sich allein jeweils den ganzen Schaden verursacht hätten, liegt ein Fall der Doppelkausalität vor. Planer und Bauunternehmer haften dann dem Auftraggeber gesamtschuldnerisch auf den gesamten Schaden.*)
2. In einem solchen Fall der Doppelkausalität kann der Bauunternehmer dem Auftraggeber das planerische Verschulden nicht anspruchsmindernd entgegenhalten, weil das Planungsverschulden für das Ausführungsverschulden nicht (mit-)ursächlich geworden ist.*)

OLG Stuttgart, Urteil vom 26.10.2021 – 10 U 336/20

BGB §§ 249254278280633634637 Abs. 3; VOB/B § 4 Abs. 3, § 13 Abs. 3, 5 Nr. 2

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit der Ausführung von Rohbauarbeiten, insbesondere auch für die Tiefgarage. Darüber hinaus beauftragt der AG einen Dritten mit den diesbezüglich notwendigen Planungsleistungen der Tragwerksplanung. Nach Fertigstellung weist die vom AN als Teil der Bodenplatte erstellte Betondeckung Risse auf. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger stellt fest, dass die vertraglich vorgegebene Dicke der Betondeckung teilweise um mehr als das Doppelte überschritten worden ist. Es sei davon auszugehen, dass bei der Herstellung der Sauberkeitsschicht das vorgegebene Gefälle nicht eingehalten worden sei. Die Abweichungen sind zumindest mitursächlich für die aufgetretenen Risse und haben zumindest zu größeren Rissbreiten geführt. Der AN behauptet, dass die Risse auf Planungsfehler des Tragwerkplaners zurückzuführen wären. Der AG verlangt vom AN Vorschuss der Mängelbeseitigungskosten. Zu Recht?

Entscheidung

Ja! Ein Vorschussanspruch besteht. Nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen sind die Risse jedenfalls auch auf die zu stark ausgeführte Betondeckung zurückzuführen. An der Verantwortlichkeit des AN ändert auch ein (unterstellter) Planungsfehler nichts. Es liegt ein Fall der sog. Doppelkausalität vor. Diese setzt voraus, dass ein Schaden durch mehrere Umstände verursacht wird, von denen aber jeder für sich genommen ausreicht, den Schaden herbeizuführen. Der Annahme der Doppelkausalität steht auch nicht entgegen, dass sich der AG in Bezug auf die behaupteten Planungsmängel gegebenenfalls ein Mitverschulden des Tragwerksplaners zurechnen lassen muss. Eine wertungsmäßige Korrektur der Äquivalenztheorie führt nach dem OLG Stuttgart dazu, dass der Mitverschuldenseinwand hier hinter der Doppelkausalität zurücktritt.

Praxishinweis

Nicht selten treffen bei Schadensfällen Planungs- und Ausführungsfehler zusammen. Hinsichtlich der nicht erkannten, aber erkennbaren Planungsfehler, die in einem Ausführungsfehler resultieren, muss sich der Auftraggeber ein anspruchsminderndes Mitverschulden entgegenhalten lassen. In Fällen der Doppelkausalität kann dies entfallen, weshalb es – gerade aus Sicht des Auftraggebers – immer sorgfältig zu prüfen gilt, worauf der Schaden im Einzelnen zurückzuführen ist.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Florian Dressel, Mönchengladbach