Mangelursache unklar: Abwarten zu wollen, begründet keine Arglisthaftung!

1. Dem umfassend beauftragten Architekten obliegt nicht nur die Wahrung der Rechte des Auftraggebers gegenüber den Bauunternehmern, sondern auch und zunächst die objektive Klärung der Mängelursachen, selbst wenn zu diesen eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören.

2. Eine Vertragsverletzung durch pflichtwidrige Unterlassung jeglicher Untersuchung und Beratung, mit der der Architekt möglicherweise die Verjährung der gegen ihn selbst bestehenden Ansprüche herbeiführt, begründet einen weiteren Schadensersatzanspruch dahin, dass die Verjährung der gegen ihn gerichteten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche als nicht eingetreten gilt.

3. Kommt es zu einem Wassereintritt und kann dessen Ursache nicht ohne Weiteres geklärt werden, begründet die Vorgehensweise, den „nächsten starken Regen“ abzuwarten, „damit die genauere Ursache festgestellt werden kann“, keinen Arglistvorwurf.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.01.2018 – 10 U 95/17; BGH, Beschluss vom 18.09.2019 – VII ZR 28/18 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB a.F. § 635; HOAI 1977 § 15 Abs. 2

Problem/Sachverhalt

Der Architekt wurde vom Auftraggeber (AG) 1990 mit Planungsleistungen gemäß den Leistungsphasen 2 bis 6 und 8 nach der HOAI 1977 für den Abbruch und Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses beauftragt. Die Schlussrechnung des Architekten wurde vom AG 1992 vollständig bezahlt. Im Juni 1992 kam es zu einem Wassereintritt in den Keller des errichteten Gebäudes. Anlässlich eines Abnahmetermins bezüglich der Wohnung im Dachgeschoss 1992 kam auch der Wassereintritt in den Keller zur Sprache. Um vorerst kostspielige Sanierungsmaßnahmen zu vermeiden, empfahl der Bauleiter des Architekten in einer Aktennotiz, dass der nächste starke Regen abgewartet werden sollte, damit die genauere Ursache festgestellt werden kann. 21 Jahre lang fanden keine weiteren Gespräche mehr zwischen den Parteien statt. Erst nachdem 2013 wiederum ein Wassereintritt festgestellt wurde, rügte der AG gegenüber dem Architekten die mangelhafte Planung der Bodenplatte und forderte zur Nachbesserung der Planung bzw. zur Planung der Mängelbeseitigung auf. Der Architekt lehnt eine Haftung wegen Verwirkung ab. Nachdem erstinstanzlich der AG unterliegt, legt er Berufung beim OLG ein.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Etwaige Schadensersatzansprüche des AG wegen mangelhafter Planungs- oder Bauüberwachungsleistungen sind verwirkt. Es kommt daher auch nicht mehr darauf an, ob die Leistungen des Architekten mangelhaft waren und ob der Durchsetzung etwaiger Schadensersatzansprüche auch die Einrede der Verjährung entgegensteht. Trotz der Pflichten des Architekten, die unter dem ersten Leitsatz genannt sind, liegt auch ein Schadensersatzanspruch des AG nach dem zweiten Leitsatz nicht vor. Denn aus dem Verhalten des Architekten kann keine Arglist gefolgert werden. Aus der Äußerung, die in einer Aktennotiz festgehalten war, kann auch keine Stillhaltevereinbarung zwischen den Parteien gefolgert werden.

Praxishinweis

Die Folge der sog. Sachwalter- oder Sekundärhaftung des Architekten, nämlich, dass trotz Ablauf der Verjährungsfrist der Mängel- bzw. Schadensersatzansprüche, der Eintritt der Verjährung als nicht eingetreten gilt, entspricht gefestigter Rechtsprechung des BGH (z. B. IBR 1996, 201). Es ist aber zu beachten, dass die Sachwalter- oder Sekundärhaftung insbesondere auch voraussetzt, dass ein Architekt handelt (also beispielsweise kein Tragwerksplaner, BGH, IBR 2002, 28) und der Architekt auch umfassend beauftragt wurde (nicht nur mit Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 6 der HOAI, BGH, IBR 2009, 589).

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Philipp Scharfenberg, Heidelberg