1. Wenn der Auftragnehmer während einer laufenden Nacherfüllungsfrist die Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert, muss der Auftraggeber den Fristablauf nicht mehr abwarten, um weitergehende Rechte auszuüben.
2. Der Auftraggeber kann dem Werklohnanspruch des Auftragnehmers einen Vorschussanspruch im Wege der Aufrechnung entgegenhalten. Der Vorschussanspruch wäre nur dann ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber auf eine ausreichend geleistete oder einbehaltene Sicherheit zurückgreifen kann oder Werklohn einbehalten hat und ihm dadurch die erforderlichen Mittel zur Mängelbeseitigung zur Verfügung stehen.
3. Für die Bemessung des Vorschusses ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich, so dass Preisveränderungen in jede Richtung erfasst werden.
OLG Köln, Beschluss vom 02.05.2022 – 19 U 98/21; BGH, Beschluss vom 20.11.2024 – VII ZR 105/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
BGB §§ 323, 631, 637 Abs. 3; VOB/B § 17
Problem/Sachverhalt
Der Auftragnehmer (AN) verlangt u.a. restliche Vergütung i.H.v. 28.490,15 Euro für das von ihm am Einfamilienhaus des Auftraggebers (AG) errichtete Wärmedämmverbundsystem (WDVS).
Der AG rechnet mit einem Kostenvorschussanspruch auf, weil das WDVS Risse und Unregelmäßigkeiten aufweist, da ein systemfremder Putz verwendet worden ist. Er hatte mit Schreiben vom 24.01.2020 nicht nur eine Frist zum Nachweis der Systemfreigabe und Gewährleistungsübernahme des Herstellers bis zum 28.02.2020 gesetzt, sondern auch zugleich für weitere Restarbeiten eine Frist zur „vollständigen und mangelfeien und systemkonformen Fertigstellung aller Flächen“ des Bauvorhabens bis zum 15.05.2020. Mit Schreiben vom 27.02.2020 verweigerte der AN die Erfüllung.
Daraufhin kündigte der AG unter dem 03.03.2020 den Vertrag und machte erst kleinen Schadensersatz und dann Kostenvorschuss geltend. Das Landgericht weist die Werklohnklage ab.
Entscheidung
Die Berufung des AN ist erfolglos. Der Vergütungsanspruch ist durch die Aufrechnung mit dem Kostenvorschussanspruch erloschen. Die Werkleistung war mangelhaft. Zwar hat der AG vor Ablauf der gesetzten Mängelbeseitigungsfrist den Werkvertrag gekündigt, angesichts der vorherigen Erfüllungsverweigerung des AN mit Schreiben vom 27.02.2020 musste der AG den weiteren Fristlauf nicht mehr abwarten. Gegenüber dem Werklohnanspruch kann der AG auch mit dem Kostenvorschussanspruch aufrechnen.
Der Kostenvorschussanspruch wäre nur dann ausgeschlossen, wenn der AG auf eine ausreichend geleistete oder einbehaltene Sicherheit nach § 17 VOB/B zurückgreifen könnte oder Werklohn einbehalten hätte und ihm dadurch die erforderlichen Mittel zur Mängelbeseitigung zur Verfügung gestanden hätten. Indes müsse es möglich sein, dem Werklohnanspruch die erforderlichen Kosten der Mängelbeseitigung im Wege der Aufrechnung entgegenzuhalten.
Bei der Schätzung der Höhe des Vorschusses ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend, so dass auch Preisveränderungen in jede Richtung erfasst werden. Daran ändert auch die materiell-rechtliche Rückwirkung der Aufrechnung nach § 389 BGB nichts.
Praxishinweis
Diskussionswürdig ist die These, ob der AG die vom AN gestellten Sicherheiten zur Mängelbeseitigung verwerten muss, bevor er den Vorschussanspruch geltend machen kann. Denn die Sicherheit soll in der Regel auch weitere Ansprüche absichern. Warum sollte der AG vor Ablauf des vereinbarten Sicherungszeitraums auf sie verzichten, indem er sie zur Beseitigung eines bestimmten Mangels einsetzt?
Zu Recht weist Halfmeier (BauR 2022, 830 ff.) darauf hin, dass der Vorschussanspruch den Aufwendungsersatzanspruch nur vorweg nimmt und deshalb keine andere Bewertung gerechtfertigt ist. Gleichwohl wird in der OLG-Rechtsprechung derzeit häufig die Frage diskutiert, ob mit dem Kostenvorschussanspruch gegen den Vergütungsanspruch des AN aufgerechnet werden kann (KG, IBR 2024, 513; OLG Oldenburg, IBR 2024, 512).
VorsRiOLG Birgitta Bergmann-Streyl, Mönchengladbach