1. Die Teilnahme des Auftraggebers an einer gemeinsamen Bautenstandsfeststellung, die wegen einer einstweiligen Arbeitseinstellung durchgeführt wurde, kann nicht ohne Weiteres als konkludente (Teil-)Abnahme der erbrachten Leistungen ausgelegt werden.
2. Eine fiktive Abnahme scheidet aus, wenn wesentliche Mängel vorhanden sind und deshalb keine Abnahmereife gegeben ist.
3. Eine Abnahme ist als Voraussetzung der Fälligkeit des Werklohns dann nicht mehr erforderlich, wenn sich der Auftraggeber gegen die Werklohnforderung allein mit auf Geldzahlung gerichteten Gewährleistungsansprüchen verteidigt, aber keine Nacherfüllung mehr verlangt, weil in diesem Fall ein Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien eingetreten ist (hier verneint).
KG, Urteil vom 18.04.2023 - 21 U 110/22
BGB §§ 286, 631 Abs. 1, § 638 Abs. 1 Satz 1, §§ 640, 641 Abs. 1
Problem/Sachverhalt
Ein Unternehmer ist mit der Erstellung der Außenanlagen für ein bereits bewohntes Einfamilienhaus beauftragt. Im Dezember führen die Parteien eine gemeinsame Feststellung des Bautenstands durch, weil die Arbeiten erst im Frühjahr fortgesetzt werden. Der Bauherr bestätigt bei dieser Begehung, dass Teilbereiche der ausgeführten Arbeiten „seinen Ansprüchen entsprechen“. Im Folgejahr geraten die Parteien in Streit über Mängel. Im Juni lehnt der Bauherr weitere Zahlungen ab.
Der Unternehmer legt darauf eine Schlussrechnung. Der Bauherr prüft die Rechnung und teilt sinngemäß mit, dass verschiedene Mängel vorhanden sind. Der Bauherr schlägt vor, die Mängel teilweise durch eine Minderung zu erledigen. Teilweise beseitigt der Bauherr Mängel im Wege der Ersatzvornahme. Der Unternehmer erhebt Klage auf Zahlung des Restwerklohns i.H.v. rund 25.000 Euro.
Entscheidung
Die Klage wird mangels Abnahme als derzeit unbegründet abgewiesen. In der Zustandsfeststellung liegt keine Abnahme. Eine konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme scheidet ebenfalls aus, weil der Bauherr das Gebäude bereits bewohnte, so dass dieser die Außenanlagen zwangsläufig nutzen musste. Auch eine Abnahmefiktion nach § 640 BGB scheidet aus, denn es waren Restmängel vorhanden. Auch sei kein Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien entstanden.
Hierzu muss der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringen, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertig gestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen (BGH, Urteil vom 19.01.2017 - VII ZR 301/13, Rz. 44, IBRRS 2017, 0624 m.w.N.).
Eine Abnahme ist als Voraussetzung der Fälligkeit des Werklohns dann nicht mehr erforderlich, wenn sich der Auftraggeber gegen die Werklohnforderung allein mit auf Geldzahlung gerichteten Gewährleistungs-ansprüchen verteidigt, aber keine Nacherfüllung mehr verlangt. Da der Bauherr die Minderung lediglich vorgeschlagen, diese aber nicht erklärt habe, lägen diese Voraussetzungen nicht vor. Auch die Ersatzvornahme führe nicht zu einem Abrechnungsverhältnis.
Praxishinweis
Das hätte auch anders ausgehen können. Ob ein Abrechnungsverhältnis entsteht, ist eine Frage der Auslegung der wechselseitigen Erklärungen. Das Verhalten des Bauherrn hätte Anlass dazu geben können, von einem Abrechnungsverhältnis auszugehen. Die Gerichte neigen eher dazu, ein Abrechnungsverhältnis anzunehmen. Das dürfte in den meisten Fällen auch dem mutmaßlichen Interesse der Parteien entsprechen.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Prof. Jörn Bröker, Essen