GÜ-Vertrag kommt nicht zustande: Höhe der Vergütung für erbrachte Planungsleistungen?

25.10.2021 – OLG München, Beschluss vom 29.07.2021 – 9 U 3342/20 Bau BGB §§ 242, 631; HOAI 2013 §§ 1, 7

Bietet ein Generalübernehmer für ein Bauvorhaben neben den Bau- auch Planungsleistungen zu einem Pauschalpreis an, kann er für die erbrachte Planung selbst dann nur das angebotene Honorar verlangen und nicht nach den Mindestsätzen der HOAI abrechnen, wenn kein Generalübernehmervertrag zu Stande kommt.

OLG München, Beschluss vom 29.07.2021 – 9 U 3342/20 Bau

BGB §§ 242631; HOAI 2013 §§ 17

Problem/Sachverhalt

Ein Generalübernehmer (GÜ) bietet dem Auftraggeber (AG) im Jahr 2014 die Planung und Errichtung eines Bauwerks zu einem Gesamtpreis von gut 2,2 Mio. Euro an. Zwischen den Parteien wird später streitig, ob der GÜ das Angebot sieben Tage später zurückgezogen hat. Der GÜ erbringt in der Folgezeit Planungsleistungen für das Gebäude, das sodann ohne seine Mitwirkung errichtet wird. Unter Bezugnahme auf die entsprechenden Positionen des Angebots rechnet der GÜ zunächst insgesamt ca. 102.000 Euro für die erbrachten Planungsleistungen ab. Mit einer neuen Schlussrechnung macht der GÜ sodann auf der Basis der Mindestsätze der HOAI 2013 eine Vergütung i.H.v. über 357.000 Euro geltend.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das OLG weist die Klage, soweit sie auf die über das Angebot hinausgehende Vergütung gerichtet ist, ab. Dabei wiederholt der hier zuständige 9. Zivilsenat seine in einem früheren Verfahren bereits vertretene Auffassung (IBR 2020, 465), wonach das Aufstockungsverlangen des planenden GU jedenfalls im vorliegenden Einzelfall praeter legem treuwidrig sei, weil es sich auf irreparabel unionsrechtswidrige HOAI-Mindestsätze stütze. Ohne jeden Gestaltungsspielraum habe der nationale Gesetzgeber aufgrund des Vertragsverletzungsurteils des EuGH (IBR 2019, 436) den zwingenden Charakter der HOAI-Mindestsätze beseitigen müssen. Das spreche auch für die ausnahmsweise unmittelbare Wirkung der EU-Dienstleistungsrichtlinie. Da der GÜ kein Architekt sei, hätte er den AG zudem auf diesen Umstand hinweisen müssen einschließlich der Absicht, wegen Nichtzustandekommens des GÜ-Vertrags die dann allein beauftragten Architektenleistungen nach HOAI-Mindestsätzen abrechnen zu wollen. Aus dem unterlassenen Hinweis dürfte eine weitere Treuwidrigkeit des GÜ folgen, zumal bei richtiger Aufklärung der AG es in der Hand gehabt hätte, die HOAI-Mindestsätze durch Abschluss eines GÜ-Vertrags mit dem GÜ oder einem Dritten zu vermeiden. Eine Aussetzung des Verfahrens mit Blick auf das Vorabentscheidungsersuchen des BGH (IBR 2020, 352) zum EuGH komme daher nicht in Betracht.

Praxishinweis

Die Entscheidung wirft Fragen auf. Es wäre zunächst durch Beweisaufnahme zu klären gewesen, ob tatsächlich Planungsleistungen gemeinsam mit Bauleistungen beauftragt waren oder nicht. Falls ja, wäre die HOAI 2013 auf den sog. Paketanbieter schon gar nicht anwendbar (BGH, IBR 1997, 286), und zwar weder der verbindliche Preisrahmen noch das Schriftformerfordernis des § 7 Abs. 1 HOAI 2013. Dies gilt auch, soweit der Vertrag – aus welchen Gründen auch immer – nicht vollständig durchgeführt wird (zum „steckengebliebenen Bauträgervertrag“: OLG Köln, IBR 2000, 281). Wenn der 9. Senat hier von der Anwendbarkeit der HOAI ausgeht, überzeugt der Treuwidrigkeitsgedanke letztlich nicht (krit. bereits Praxisanmerkung zu IBR 2020, 465), da der BGH eine richtlinienkonforme Auslegung des § 7 Abs. 1 HOAI 2013 ausdrücklich und abschließend (dieser Aspekt unterliegt nicht der Entscheidung des EuGH) abgelehnt hat (IBR 2020, 353). Zudem befasst sich der 9. Senat nicht mit dem Schriftformgebot für die Honorarabrede und der nach § 7 Abs. 5 HOAI 2013 für den hier vorliegenden Fall des Formverstoßes angeordneten Rechtsfolge der Geltung der Mindestsätze. Auch insoweit wird inzwischen die Treuwidrigkeit bemüht (OLG Düsseldorf, IBR 2021, 134). Insgesamt berührt der vorliegende Sachverhalt derart viele ungeklärte Rechtsfragen, dass sich eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht gerade aufdrängt.

Prof. Dr. Heiko Fuchs
RA und FA für Bau- und Architektenrecht