Kaum ein Bauvorhaben wird ohne Änderungen gegenüber der ursprünglichen Planung realisiert. Ursächlich können die Anmeldung von berechtigten Bedenken nach § 4 Abs. 3 VOB/B sein, auf die der Auftraggeber mit einer Änderungsanordnung reagiert, oder die Anordnung von Änderungen des Bauentwurfs nach § 1 Abs. 3 VOB/B oder die Anordnung zusätzlicher Leistungen nach § 1 Abs. 4 VOB/B. In der Praxis geht dies in der Regel mit der Anforderung eines Nachtragsangebotes einher, dem die Auftragnehmer auch häufig nachkommen. Dabei besteht häufig die Gefahr für den Auftragnehmer, dass er – ungewollt – Planungsverantwortung übernimmt.
Ausgangslage: Regelmäßig Planungsverantwortung des Auftraggebers
Die Frage, wer für die Ausführungsplanung verantwortlich ist, lässt sich zwar nicht schematisch beantworten, weil dies von der konkreten vertraglichen Vereinbarung abhängig ist. Im Regelfall liegt die Planungsverantwortung aber beim Auftraggeber. Das ist jedenfalls so, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Planung aufgrund des geschlossenen Vertrages schuldet, wie das beim VOB-Vertrag der Fall ist, § 3 Abs. 1 VOB/B. Aber auch dann, wenn eine solche Verpflichtung nicht vereinbart ist, haftet der Auftraggeber für das Planungsverschulden seines Architekten, wenn die Planung anderen Baubeteiligten zur Verfügung gestellt wird, um ihre Aufgaben im Rahmen des Bauvorhabens erfüllen zu können. Denn es handelt sich bei der Zurverfügungstellung der Planung um eine notwendige Mitwirkungshandlung des Auftraggebers, für deren Fehler er einzustehen hat (BGH, Urteil vom 27.11.2008 – VII ZR 206/06).
(Ungewollte) Planungsübernahme durch Anmeldung von Bedenken mit Lösungsvorschlag
Die Pflicht, auf Bedenken hinzuweisen, besteht, wenn der Unternehmer die Ungeeignetheit der Vorleistung oder der Anordnung des Unternehmers erkannt hat oder hätte erkennen können. Nach § 4 Abs. 3 VOB/B hat der Bedenkenhinweis schriftlich zu erfolgen. Damit soll der Warnung besonderer Nachdruck verliehen werden. Die Rechtsprechung hat aber auch eine Haftungsbefreiung für möglich gehalten, wenn die Schriftform nicht eingehalten worden ist, wenn er eindeutig, d. h. inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend ist.
Der Auftragnehmer ist aber nicht verpflichtet, Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Die Bedenkenmitteilung muss „nur“ allgemein verständlich, aber dennoch so detailliert sein, dass sie den Auftraggeber in die Lage versetzt, die Bedenken zu prüfen und anschließend eine entsprechende Anordnung zu treffen. Dem Auftraggeber müssen insbesondere die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren konkret dargelegt werden, sodass er in die Lage versetzt wird, die Tragweite der Nichtbefolgung des Bedenkenhinweises klar zu erkennen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015 – 21 U 62/14).
Hier beginnt meist die Schwierigkeit für den Auftragnehmer: Einerseits ist es häufig sehr schwer, zwischen der allgemeinen Darstellung des Problems und der vom Auftragnehmer für sachgerecht erachteten Lösung zu unterscheiden. Ferner wollen Auftragnehmer, gerade wenn die Baustelle zeitkritisch ist (was leider viel zu häufig der Fall ist), Lösungsvorschläge unterbreiten, damit man voran kommt. Schließlich sind Bauherr oder dessen Architekt häufig nicht mit der Anmeldung der Bedenken zufrieden, sondern „verlangen“ Lösungsvorschläge.
Zwar ist es dem Auftragnehmer unbenommen, einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Wird dieser dann umgesetzt, liegt nunmehr aber die Planungsverantwortung für die geänderte Leistung bei Auftragnehmer. Ein Auftragnehmer übernimmt im Einzelfall Planungsverantwortung und damit Haftungsrisiken, wenn er Vorschläge zur Bauausführung unterbreitet, die über eine bloße Bedenkenanmeldung hinausgehen (OLG Celle, Urteil vom 23.12.1999 – 22 U 15/99).
(Ungewollte) Planungsverantwortung bei der Erstellung von Nachtragsangeboten
Häufig wird der Unternehmer völlig undifferenziert aufgefordert, ein Nachtragsangebot zu erstellen. Dafür ist nicht immer eine neue Planung notwendig: Geht mit einer Anordnung des Auftraggebers keine Veränderung der Planung einher, beispielsweise weil sich nur eine Materialität eines Parkettfußbodens ändert, so erfordert dies regelmäßig keine neue Planung. Wenn die Ausführung einer Nachtragsleistung dagegen eine Veränderung der Entwurfs- oder Ausführungsplanung voraussetzt und der Auftragnehmer auf der Grundlage eines vom Auftraggeber stammenden Leistungsverzeichnisses und einer von diesem zur Verfügung gestellten Ausführungsplanung beauftragt worden ist, kann man einen Auftragnehmer nicht dazu zwingen, Planungsaufgaben zu übernehmen, § 650b Abs. 1 Satz 4 BGB. Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, das Nachtragsangebot zu erstellen. § 650b Abs. 1 Satz 4 lautet:
„Trägt der Besteller die Verantwortung für die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, ist der Unternehmer nur dann zur Erstellung eines Angebots über die Mehr- oder Mindervergütung verpflichtet, wenn der Besteller die für die Änderung erforderliche Planung vorgenommen und dem Unternehmer zur Verfügung gestellt hat.“
Gleichwohl wird häufig trotzdem ein Nachtragsangebot erstellt, in das der Auftragnehmer seine planerischen Kenntnisse einfließen lässt. Das führt dann aber ebenfalls dazu, dass die Planungsverantwortung für diese Nachtragsleistung nunmehr nicht mehr beim Auftraggeber, sondern beim Auftragnehmer liegt.
Vermeidungsstrategien
Die auf diese Weise ungewollte Übernahme der Planungsverantwortung kann nur sicher vermieden werden, wenn der Auftragnehmer das tut, was sein „gutes Recht“ ist: Zwar auf Bedenken hinweisen, aber keinen Lösungsvorschlag unterbreiten. Bei geänderten oder zusätzlichen Leistungen eine Planung des Auftraggebers anfordern, auf Basis derer das Nachtragsangebot erstellt und die Nachtragsleistung ausgeführt werden kann.
Das ist nicht immer einfach. Denn Auftraggeber und ihre Vertreter reagieren oft mit Unverständnis auf diese – vermeintlich – unkooperative Verhaltensweise. Dabei werden die rechtlichen Verhältnisse geradezu auf den Kopf gestellt: Der Auftragnehmer, der nur seinen Pflichten nachkommt (Bedenkenanmeldung) und seine Rechte wahrnimmt (Ablehnung der Planungsverantwortung), sieht sich hier häufig in der Defensive und steht unter zeitlichem Druck. Es erfordert daher regelmäßig einer Abwägungsentscheidung des Auftragnehmers, ob und inwieweit dem Druck nachgegeben wird. Wichtig ist dabei, dass der Auftragnehmer sich dessen bewusst ist, dass er bei (zu) kooperativem Verhalten eben ein Stück der Verantwortung mit übernimmt.
Rechtsanwalt Marco Röder
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Mitglied in der ARGE Baurecht seit 2009