Der Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B setzt voraus, dass die Bauzeitverzögerung adäquat-kausal durch hindernde Umstände verursacht worden ist, die auf der Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch den Auftraggeber beruhen.
BGH, Urteil vom 19.09.2024 – VII ZR 10/24
BGB §§ 133, 157; VOB/B § 2 Abs. 5, § 6 Abs. 2, 6
Problem/Sachverhalt
Die Abwicklung eines VOB/B-Bauvertrags wird u. a. durch nicht rechtzeitig vorliegende Vorleistungen und Ausführungspläne gestört. Der Auftraggeber (AG) überreicht dem Auftragnehmer (AN) Bauablaufpläne mit neuen, verlängerten Ausführungsterminen. Der AN beansprucht Schadensersatz nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Der AN legt nicht die Ursächlichkeit einer etwaigen Pflichtverletzung in Form der verzögerten Ausführungspläne für die Behinderung dar. Der bloße Verweis auf die Bauablaufpläne des AG und die sich hieraus ergebende Verlängerung der Gesamtbauzeit nebst der verschiedenen zeitlichen Verschiebungen bezüglich der Ausführung einzelner Leistungen reicht schon deshalb nicht aus, weil sich aus diesen Plänen nicht ableiten lässt, inwieweit die Behinderungen auf den verzögerten Ausführungsplänen und inwieweit auf nicht rechtzeitigen Vorleistungen anderer Auftragnehmer – und damit zumindest im letztgenannten Fall nicht auf einer Pflichtverletzung des AG – beruhen. Gleichfalls lässt sich nicht ableiten, in welchem Umfang die Verlängerung der Gesamtbauzeit auf den vom AN erbrachten Nachtragsleistungen – und damit ebenfalls nicht auf einer Pflichtverletzung des AG – beruht.
Praxishinweis
Das Urteil ist in sich widersprüchlich. Die dem Strengbeweis des § 286 ZPO unterliegende haftungsbegründende Kausalität betrifft bezogen auf § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B ausschließlich den Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Eintritt bzw. Vorliegen einer Behinderung. Die Behinderungen als solche waren jedoch – und das ist die Besonderheit des Streitfalls – aufgrund der Bauablaufpläne des AG mit den darin ausgewiesenen zeitlichen Angaben i.S.v. § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig. § 6 Abs. 1 Nr. 1 a VOB/B lautet wortwörtlich: „Ausführungsfristen werden verlängert, soweit die Behinderung verursacht ist durch einen Umstand aus dem Risikobereich des Auftraggebers.“ Der BGH führt selbst aus, dass die Bauablaufpläne des AG die „behinderungsbedingten Störungen“ abbildeten und die „jeweilige Verschiebung der Ausführung in zeitlicher Hinsicht konkretisierten“ und dass sich die Fristen nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 a VOB/B verlängerten. Die von ihm monierte Darlegung betraf daher ausschließlich die aus der Behinderung resultierenden, weiteren Folgen auf den Bauablauf und damit die sich nach § 287 ZPO richtende haftungsausfüllende Kausalität. Dazu hat der BGH mit Urteil vom 24.02.2005 (VII ZR 225/03, IBRRS 2005, 1177) u. a. ausgeführt: „Dagegen unterliegen weitere Folgen der konkreten Behinderung der Beurteilung nach § 287 ZPO (…) Es unterliegt deshalb der einschätzenden Bewertung durch den Tatrichter, inwieweit eine konkrete Behinderung von bestimmter Dauer zu einer Verlängerung der gesamten Bauzeit geführt hat, weil sich Anschlussgewerke verzögert haben. Auch ist § 287 ZPO anwendbar, soweit es darum geht, inwieweit verschiedene Behinderungen Einfluss auf eine festgestellte Verlängerung der Gesamtbauzeit genommen haben. Aus diesem Grund hat der Senat eine Schätzung nach § 287 ZPO für möglich gehalten, inwieweit ein Verhalten des Auftragnehmers einerseits und dasjenige des Auftraggebers andererseits einen auf eine Bauzeitverzögerung zurückzuführenden Schaden verursacht haben …“ Durch die Bauablaufpläne hat der AG nicht nur die Vertragswidrigkeiten als solche bestätigt, sondern auch konkrete zeitliche Angaben getätigt (ohne diese wären lediglich die Pflichtverletzungen, nicht jedoch auch die Behinderungen unstreitig). Mithin war nur die Zuordnung der einzelnen Verursachungsbeiträge bezogen auf die Gesamtbauzeitverlängerung nach § 287 ZPO zu ermitteln. Insoweit entfällt die haftungsausfüllende Kausalität nicht schon dann, wenn ein weiteres Ereignis mitursächlich für den endgültigen Schaden geworden ist (BGH, Urteil vom 20.11.2001 – VI ZR 77/00, NJW 2002, 504 m.w.N.)
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Paul Popescu, Köln