1. Wird der Auftragnehmer mit der Ausführung von Wärmedämmarbeiten beauftragt und wird vereinbart, dass er lediglich die Vorgaben des vom Auftraggeber eingeschalteten Energieberaters zu erfüllen hat, haftet der Auftragnehmer nicht für die fehlende Funktionstauglichkeit der Wärmedämmung.
2. Werden die Vorgaben des Energieberaters für den Erkerbereich vom Auftraggeber dahingehend abgeändert, dass eine Dämmung nur in derjenigen geringeren Stärke aufgebracht werden soll, die der Dachüberstand erlaubt, muss der Auftragnehmer nicht darauf hinweisen, dass dadurch die vom Energieberater ermittelten Anforderungen nicht eingehalten werden, weil dies offenkundig ist.
OLG München, Beschluss vom 09.09.2019 – 20 U 1108/19 Bau; BGH, Beschluss vom 20.04.2020 – VII ZR 220/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
BGB § 633; VOB/B § 4 Abs. 3, § 13 Abs. 3
Problem/Sachverhalt
Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit der Ausführung von Wärmedämmarbeiten nach den Vorgaben seines Energieberaters. Eigene Berechnungen oder ein Wärmedämmkonzept sind vom AN nicht zu erstellen. Im Zuge der Ausführung ändert der AG die Vorgaben des Energieberaters für den Erker. Der AN soll die Dämmung nur in der Stärke des Dachüberstands aufbringen. Mit einer Wärmedämmung in dieser Stärke werden die vom Energieberater des AG ermittelten Anforderungen nicht erreicht. Nach der Fertigstellung macht der AG die damit verbundene fehlende Funktionstauglichkeit der Wärmedämmung gegenüber dem AN als Mangel geltend. Nach Auffassung des AG hat der AN unabhängig von der Leistungsänderung die Verpflichtung gehabt, die DIN-Vorschriften und die Vorgaben der EnEV einzuhalten. Zudem beruft sich der AG auf die fehlende Bedenkenanzeige des AN.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Der AN muss den AG nicht ausdrücklich auf einen Umstand hinweisen, der offenkundig ist. Erstens war der AN vertraglich nicht zur Erstellung und Umsetzung eines Wärmedämmkonzepts verpflichtet. Ohne selbst Planungsleistungen erbringen zu müssen, war der AN lediglich mit der Anbringung von Dämmplatten nach Vorgabe des vom AG beauftragten Energieberaters beauftragt. Zweitens hatte der AG den Leistungsumfang des AN eigenverantwortlich geändert. Entgegen der Vorgaben seines eigenen Energieberaters hatte er für den Erkerbereich die Unterschreitung der Dämmstärke angeordnet. Damit war die fehlende Funktionstauglichkeit der Wärmedämmung für den AG offenkundig und ein ausdrücklicher Hinweis des AN entbehrlich.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist kein Freibrief für den Auftragnehmer. Ihr liegt eine Ausnahmekonstellation zu Grunde, bei der zwei Besonderheiten zusammenkommen. Der Maßstab für die Prüf- und Hinweispflicht des Auftragnehmers ist die eigene Vertragsleistung. Auch wenn diese Vertragsleistung lediglich darin besteht, die Leistungen nach den Vorgaben eines vom Auftraggeber eingeschalteten Fachbeteiligten abzuarbeiten, muss der Auftragnehmer Bedenken anzeigen, sofern er diese Vorgaben für ungeeignet oder unzutreffend hält. Die Hinweispflicht entfällt erst und nur dann, wenn der Auftraggeber die Vorgaben des Fachbeteiligten selbst ändert und es durch diese Änderung dazu kommt, dass die Vorgaben des Fachbeteiligten nicht mehr eingehalten werden können.
RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Hartwig Schäfer, Hamburg