Die Vertragsgestaltungspraxis bei Projektsteuerungsverträgen

Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Eschenbruch beleuchtet einige für die Vertragspraxis wichtige Aspekte anhand einer Analyse von 350 abgeschlossenen Projektsteuerungsverträgen. Erklärtes Ziel ist es, für die Vertragspraxis besonders relevante Teilaspekte dieses schwer zugänglichen Marktsegments für die Vertragsgestaltungspraxis transparenter zu machen.

I. Vorbemerkungen

Das Recht der Projektsteuerung galt lange Jahre als terra incognita. In der Zwischenzeit hat sich der Nebel um die Leistungen der Projektsteuerung gelichtet. Auch für Projektsteuerungsverträge haben sich den klassischen Architekten- und Ingenieurverträgen strukturell vergleichbare Vertragslösungen mit allerdings unterschiedlichen Ausgestaltungen, insbesondere zu Leistungen und Vergütungen, herauskristallisiert.

Im Rahmen einer Kampagne des DVP (Deutscher Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft e.V.) für faire Projektsteuerungsverträge hat der Verfasser dieses Aufsatzes eine empirische Untersuchung zum aktuellen Stand der Vertragspraxis im Projektsteuerungswesen angeregt. Im Rahmen dieses Vorhabens sind zunächst die Daten von 350 abgeschlossenen Projektsteuerungsverträgen, vornehmlich aus den letzten fünf Jahren herstammend, von fünf mittelgroßen Projektsteuerungsbüros und einem Anwaltsbüro zusammengetragen und analysiert worden.

Der Datenbestand ist bereits sehr umfangreich und gibt bereits einen sehr guten, empirisch abgesicherten Überblick über die Vertragsgestaltungspraxis für Projektsteuerungsverträge in Deutschland. Die analysierten 350 Projektsteuerungsverträge haben unterschiedliche Industriesektoren, unterschiedliche Projekttypen und Größenklassen sowie unterschiedliche Auftraggebertypologien und Einsatzformen für die übrigen Projektbeteiligten zum Gegenstand und lassen bereits Rückschlüsse auf die aktuelle Vertragspraxis im Projektsteuerungswesen zu.

Nachfolgend werden einige für die Vertragspraxis wichtige Aspekte beleuchtet. Die Analyse des Datenbestandes lässt durchaus differenziertere Auswertungen zu den zugrunde liegenden Projekten zu, sodass wichtige Marktinformationen für eine Vielzahl von Marktbeteiligten gewonnen werden können. Dieser Beitrag hat das Ziel, für die Vertragspraxis besonders relevante Teilaspekte dieses schwer zugänglichen Marktsegments für die Vertragsgestaltungspraxis transparenter zu machen.

II. Zur Leistungsstruktur von Projektsteuerungsverträgen

Leistungen der Projektsteuerung sind gesetzlich nicht geregelt. Sie beinhalten technisch-wirtschaftliche Unterstützungsleistungen für eine Auftraggeberorganisation mit beratendem, koordinierendem und kontrollierendem Inhalt. Der Umfang eines zu beauftragenden entsprechenden Leistungsportfolios hängt stark von den Projektspezifika ab, etwa der personellen und kompetenzbasierten Ausstattung der Auftraggeberorganisation selbst, der Projekttypologie und der konkreten Projektanforderungen und den entsprechenden Marktangeboten. Seit rund 30 Jahren befasst sich die AHO-Fachkommission Projektsteuerung/Projektmanagement mit der Standardisierung entsprechender Leistungsanforderungen und hat insoweit ein Leistungsbild mit fünf Handlungsbereichen erstellt:

  • A Organisation, Information, Koordination und Dokumentation
  • B Qualitäten und Quantitäten
  • C Kosten und Finanzierung
  • D Termine, Kapazitäten und Logistik
  • E Verträge und Versicherungen

Auf der Zeitachse wird zwischen fünf Projektstufen, die teilweise mit den HOAI-Leistungsphasen korrespondieren, unterschieden, nämlich:

  • Projektvorbereitung
  • Planung (Vor-, Entwurfs- und Genehmigungsplanung)
  • Ausführungsvorbereitung (Ausführungsplanung, Vorbereiten der Vergaben und Mitwirken bei der Vergabe)
  • Ausführung (Objektüberwachung)
  • Projektabschluss

Das Grundleistungsbild mit generischen Tätigkeitsbeschreibungen für die Projektsteuerung wird ergänzt durch eine Kommentierung nebst Lieferobjekten für die ergebnisbezogene Konkretisierung der benannten Tätigkeiten und den hiervon abzugrenzenden Mitwirkungspflichten der Auftraggeber. Für spezifische Projektanforderungen sind Besondere Leistungen benannt, die ihre Ergänzung und Ausdifferenzierung in speziellen Leistungsbildern des Heftes Nr. 19 der AHO-Fachkommission erfahren. Das Leistungsbild basiert auf einem einheitlichen Sprachgebrauch, insbesondere Begriffsdefinitionen, die den Inhalt zentraler Begrifflichkeiten des Projektsteuerungswesens wie das „Mitwirken“, das „Steuern“, das „Überprüfen/Prüfen“ von Leistungen Dritter präzisieren. Viele Vertragsgestalter greifen bei der Ausgestaltung von Projektsteuerungsverträgen auf diese Leistungsbildangebote zurück. Teilweise werden auch individuell ergänzte/konkretisierte oder ersetzende Leistungsbilder verwendet. Der Markt ist auf erste Sicht durch eine besondere Vielgestaltigkeit von Leistungsbeschreibungen der Projektsteuerung geprägt.

Die Auswertung der 350 Verträge hat ergeben, dass in rund 67 % der Projektsteuerungsverträge auf ein AHO-Leistungsbild Bezug genommen wurde; 60 % der Projektsteuerungsverträge verweisen auf das Grundleistungsbild nach AHO Heft Nr. 9 und 7 % auf die ergänzenden Leistungen des AHO Heftes Nr. 19. Der empirische Befund verdeutlicht daher, dass sich das AHO-Leistungsbild zu einem Marktstandard entwickelt hat. Die Marktbeteiligten schätzen offenbar die Vorzüge eines entsprechenden standardisierten Werkzeuges, welches im Markt eindeutig verstandene Leistungsanforderungen bereitstellt, dadurch reibungslosere Beschaffungen ermöglicht und das Konfliktpotential reduziert.

III. Vertragsstrukturen

Ein Projektsteuerungsvertrag ist ein Vertrag mit ambivalenten Leistungsverpflichtungen, die teilweise dienstvertraglichen und teilweise werkvertraglichen Charakter haben. Die vom BGH hierzu entwickelte Schwerpunkttheorie, wonach die Rechtsnatur des Vertrages durch den jeweiligen Schwerpunkt dienst- oder werkvertraglicher Pflichten bestimmt ist, führt nicht in jedem Einzelfall ohne weiteres zu einer abschließenden Klarheit. Es bleibt im Einzelfall immer schwierig, diesen Schwerpunkt herauszuarbeiten. Das gilt umso mehr, als in den letzten Jahren Projektrealisierungen zunehmend komplexer und weniger konturiert ausfallen. Flexible Leistungsanforderungen an die Projektsteuerung lassen dienstvertragliche Aspekte deutlicher hervortreten. Gleichwohl klassifizieren Rechtsprechung und Rechtslehre Projektsteuerungsverträge, zumal solche, die mit einem Komplettleistungsbild, etwa nach AHO versehen sind, aufgrund der Ausrichtung auf die Projektziele ganz überwiegend als Werkverträge. Den Dienstverträgen bleiben im Wesentlichen Fallgestaltungen finanzwirtschaftlicher Projektberatung, temporärer Unterstützungsleistungen und Arbeitnehmerüberlassung vorbehalten.

Die empirische Untersuchung hat nun ergeben, dass die Praxis Projektsteuerungsverträge üblicherweise als Werkverträge ausgestaltet. Rund 76 % der abgeschlossenen Verträge wurden als Werkverträge deklariert. Als Dienstverträge wurden nur 16 % der analysierten Verträge überschrieben. Die Untersuchung bestätigt mithin die rechtswissenschaftliche Einordnung der Verträge und hält offenbar die werkvertragliche Ausgestaltung für die im Regelfall systemgerechte Lösung. Das schließt nicht aus, dass in einzelnen Vertragsbestimmungen Anlehnungen an dienstvertragliche Strukturen vorgenommen werden.

Nur in selteneren Fällen verweisen die Verträge explizit auf die Rechtsnatur eines Architekten- und Ingenieurvertrages nach § 650p BGB, so dass hierzu keine statistischen Erkenntnisse gewonnen werden konnten.


– Ende des Auszugs –

Der vollständige Aufsatz „Die Vertragsgestaltungspraxis bei Projektsteuerungsverträgen“ von Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Eschenbruch erschien zuerst in der Fachzeitschrift „Baurecht“ (BauR 2022, 1128 – 1133, Heft 8)Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.