Köln, 30. März 2022
Seit Beginn des Angriffskrieges in der Ukraine und der damit einhergehenden Sanktionen gegen Russland, sind die Preise für Baustoffe erheblich gestiegen. Die Preissteigerung betrifft insbesondere die Kosten für Stahl und eine Reihe von Erdölprodukten, wie z. B. Bitumen. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hat auf die Thematik mit seinem Erlass vom 25.03.2022 reagiert und hierin Vorgaben für den Umgang mit den zum Teil erheblich gestiegenen Kosten gemacht.
Die zu erwartenden Preissteigerungen sollen bei Vergabeverfahren durch mehrere Maßnahmen berücksichtigt werden:
Bei neuen Vergabeverfahren soll eine Stoffpreisgleitklausel für die Baustoffe Stahl und Stahllegierungen, Aluminium, Kupfer, Erdölprodukte, Epoxidharz, Zementprodukte, Holz und gusseiserne Rohre vereinbart werden, da diese Stoffe erheblichen Preisschwankungen ausgesetzt sind und hieraus ein nicht kalkulierbares Preisrisiko abzuleiten ist. Das BMWSB verkürzt zudem den Zeitraum in dem Bieter ihre Stoffpreise garantieren müssen. Darüber hinaus soll eine Preisgleitklausel auch dann vereinbart werden, wenn zwischen Angebotsabgabe und Auftragsausführung mehr als ein Monat liegt.
Bei laufenden Vergabeverfahren, bei denen Angebote noch nicht geöffnet wurden, sollen die Vergabestelle Stoffpreisgleitklauseln nachträglich einbeziehen und hierfür die Ausführungsfristen anpassen. Nach Angebotsöffnung sollen die Vergabestelle das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzen und auch hier nachträglich eine Stoffpreisgleitklausel einbeziehen.
Kommt es sodann bei der Ausführungen der Bauleistungen zu Störungen im Bauablauf, da Baustoffe vorübergehend oder gar nicht beschafft werden könne, soll nach dem Erlass des BMWSB ein Fall der höheren Gewalt vorliegen (§ 6 Abs. 2 lit. c) VOB/B). Die Ausführungsfristen in diesem Fall um die Dauer der Nichtlieferbarkeit der jeweiligen Stoffe zzgl. eines Aufschlages verlängert werden.Darüber hinaus sind öffentliche Auftraggeber im Verantwortungsbereich des BMWSB berechtigt, nachträglich eine Stoffpreisgleitklausel mit ihrem Vertragspartner zu vereinbaren. Das BMWSB weist zudem auf die Möglichkeit der Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) hin, wenn dem Auftragnehmer die Beschaffung der Baustoffe zu den dann aktuellen Marktpreisen unzumutbar ist. Allerdings sei hierfür – so das BMWSB – eine Einzelfallprüfung erforderlich –festen Grenzen, ab wann die Beschaffung unzumutbar wäre, nennt das BMWSB nicht.
Auch wenn noch eine Reihe von (wesentlichen) Fragen offen sind, schafft das BMWSB mit dem Erlass gleichwohl eine gewisse Planungssicherheit für seine Vergabestellen sowie Bieter und Auftragnehmer. Es wird aber einerseits noch zu klären sein, ob der Erlass nur bei Vorhaben der Bundesbehörden Berücksichtigung findet oder ob auch andere öffentliche Auftraggeber diese Grundsätze anwenden werden. Andererseits enthält der Erlass zwar eine Vielzahl von möglichen Lösungen. Ob diese die eigentliche Thematik schlussendlich auch löst, bleibt abzuwarten.